kurzkritik: kevin-zeichnungnen
: Eine Tragödie in Strichen

Die Wahrheit gibt es nicht. Und trotzdem hat sie viele Gesichter. Yolanda Feindura hat einige davon portraitiert. Mit Kuli auf Linienblock. Mit feinen Linien und schnellen Strichen hält sie die Verhandlung einer Bremer Tragödie fest. Den Prozess um den Fall Kevin.

Wochenlang prangte Kevins Gesicht in grellen Farben und schlechter Auflösung auf den Titelseiten der Boulevardblätter. Yolanda Feindura benutzt keine Farben. Ihre Ausstellung „Der Prozess des Zeichnens“ zeigt Momentaufnahmen in schlichten Grautönen. Oft sind es dieselben wiederkehrenden Gesichter. Bernd K. frontal, mit harten Strichen gezeichnet, fast dämonisch, an anderer Stelle menschlich, sensibel beobachtet und mit zarten Linien eingefangen. Die verstorbene Mutter, ein von der Abhängigkeit zerfurchtes Gesicht. Daneben sanftmütig, das lächelnde Baby im Arm. Kevin in dummyhafter Abstraktion, von Schraffuren überschattet, mit glänzenden Augen.

Die Künstlerin spielt mit der Stimmung ihrer Bilder. Viele hat sie am Computer umgearbeitet, hat Hintergründe umgezeichnet, Kontraste überzogen, Konturen verstärkt. Sie gibt ihrem Publikum keine Antworten. Sie sagt nicht einmal: so war es. „Glaubt bloß nicht, was ihr seht!“, warnt sie den Betrachter gleich mit dem ersten Bild. Sie klagt nicht an, predigt nicht, beansprucht keine Objektivität. „Ich stelle ein Stück Tagebuch aus“, sagt Yolanda Feindura. Hin und wieder lässt sie eine Karikatur zu: lüsterne Fratzen von Prozessbesuchern, Behördenvertreter in trauriger Naivität. Sie bildet Menschen ab, wie sie sie gesehen hat. In dem einen Moment. Und im nächsten anders.

ANNABEL TRAUTWEIN

Atelierhof-Galerie, Alexanderstr. 9a, Di-Fr, 15-19 Uhr