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Archiv-Artikel

Vermehrte Spaßverderber

Die deutschen Wasserballer leiden nach wie vor an der Auflösung des ehemaligen Jugoslawiens. Gegen Serbien fehlte dennoch nicht viel für die ganz große Überraschung

PEKING taz ■ Lustig sind sie, die deutschen Wasserballer. Da hängen sie im Olympischen Dorf ein Plakat auf, auf dem steht: „Wir mögen große Bälle und feuchte Becken.“ Bei der Eröffnungsfeier müssen die Jüngsten im Team, Julian Real und Marko Stamm, aufgeschnittene Wasserbälle auf dem Kopf tragen, „damit es schön blöd aussieht“, wie Kapitän Sören Mackeben verrät. Und wenn Trainer Hagen Stamm die Zitatmaschine anwirft, kommen die Journalisten kaum nach mit dem Aufschreiben all der Bonmots. Doch irgendwann ist es vorbei mit dem Spaß, ist Schluss mit dem Macho-Getue, zum Beispiel, wenn die Deutschen gegen ein exjugoslawisches Team antreten müssen. Gestern waren es die Serben. Eine Übermannschaft. Vor vier Wochen ist die deutsche Auswahl bei der Europameisterschaft gegen den Weltliga-Sieger im wahrsten Sinne des Wortes untergegangen – mit 5:17.

Am Sonntag im Yingdong-Natatorium zu Peking schaute der serbische Präsident Boris Tadic allerdings nicht schlecht, als die Deutschen schnell mit 3:1 vorn lagen, dann aber doch mit 7:11 verloren. „Wir waren nah dran an einer Sensation“, sagte Stamm. Das Ergebnis täuscht ein wenig. Stamms Sechs hätte im letzten Viertel den 8:8-Ausgleich erzielen können, doch stattdessen nutzen die Serben jeden Fehler aus. Die serbischen Hünen pflügten wie Motorboote durchs Wasser, gewannen jedes Wettschwimmen um den Ball zu Viertelbeginn, und sie verteidigten, als besäßen sie zahllose Krakenarme. Der serbische Center Dusko Pijetlovic brachte es gar fertig, vier Tore in einem Viertel zu erzielen. Nicht einfach so, sondern nach zähem Ringkampf mit seinen Konkurrenten, nach ruppigen Unterwasserschlachten und diversen Verkostungen des chlorhaltigen Wassers. Pijetlovic zeigte sogar das seltene Kunststück des blind verwandelten Wurfs: Dazu ließ er seinen Kopf von Florian Naroska unter Wasser tunken, was ihn nicht daran hindern sollte, nach dem Ball zu greifen und ins Tor des ansonsten prächtig haltenden Alexander Tchigir zu befördern. Gegen diesen gewitzten Burschen war nichts auszurichten. „Vielleicht hätten wir ihn töten müssen“, schlug Mackeben nachher vor. Er plante freilich keinen Mordanschlag auf den Spieler mit der Nummer sechs, nein, der erst 23-Jährige hätte nur besser verteidigt werden müssen. „Das ist Ringen im Wasser“, bekannte Naroska, der es gelegentlich mit dem Bullen von Beijing aufgenommen hatte. „Der hat Kraft wie ein Ochse.“ Die Serben seien unglaublich verbissen, sagte der Spieler des SV Cannstatt, „und wenn sie den Ball einmal haben, dann lassen sie ihn nicht mehr los. Das sind halt Wasserballvollprofis mit einer tollen physischen Präsenz und einer taktischen Schule, die sie schon als Kinder besucht haben.“ Die exjugoslawischen Teams Kroatien, Montenegro – dessen Nationales Olympische Komitee 2006 gegründet wurde – und Serbien haben allesamt Medaillenchancen, wenngleich die montenegrinischen Weltmeister zum Auftakt einen Punkt an die Ungarn (10:10) verschenkten. „Als es noch ein Jugoslawien gab, ist Hagen Dritter geworden bei den Spielen 1984, heute werden wir nur noch Fünfter, wenn’s gut läuft. Wir haben eben die Arschkarte gezogen“, sagte Mackeben in Anspielung an den Bronzemedaillengewinn von Coach Stamm in Los Angeles; seitdem hat es keine olympische Medaille mehr für ein deutsches Wasserballteam gegeben. Auch diesmal käme es einer Sensation gleich, wenn es die Deutschen aufs Podium schafften. Auf dem Weg dahin sollten sie in ihrer Gruppe gegen Kroatien, China, Italien oder die USA punkten. Sie müssen mindestens Gruppendritter werden. Serbien ist schon so gut wie weiter, dort ist Wasserball eh Nationalsport. Man schöpft aus großen Fördertöpfen und genießt große Aufmerksamkeit. In Deutschland müssen schon geschulte PR-Profis ran, um den Mannschaftssport in die Zeitungen zu hieven. Stamm brachte es im halbgefüllten Natatorium auf die Formel: „Hier hat eine Millionärsmannschaft gegen eine Hobbytruppe gespielt.“ Stars wie Aleksandar Sapic gegen den Studenten der Drucktechnik, Moritz Oeler. Altmeister Vladimir Vujasinovic gegen Marc Politze, Student der Betriebswirtschaft. „Ich werde jetzt einen Antrag beim Weltschwimmverband stellen, dass die exjugoslawischen Nationen eine eigene Meisterschaft ausspielen und nur den Sieger zu den Olympischen Spielen schicken“, sagte Hagen Stamm. Das war dann wieder sehr lustig.

MARKUS VÖLKER