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Archiv-Artikel

Die Rückkehr der Techno-Dinos

Weniger Sprit mit Windkraft: Zugdrachen und Segelrotoren sollen dafür sorgen, dass Schiffe Treibstoff sparen

Es ist ein Projekt mit doppeltem Symbolwert: Kürzlich unterzeichneten der schweizerische Kanton Basel-Stadt und die deutsche Stadt Weil am Rhein eine Vereinbarung zum Bau einer grenzüberschreitenden Straßenbahnlinie. Dieses „Trämli“ steht nun zum einen für die Zusammenarbeit der beiden Staaten, zum andern aber auch für die Renaissance der Straßenbahn in einer Zeit, in der Rohstoffe knapp und Autofahrten teurer werden.

Die Straßenbahn liegt im Trend. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) beziffert den Zuwachs an Fahrgästen in den deutschen Trams im Jahr 2007 auf rund 50 Millionen oder 1,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr – obwohl schon 2006 aufgrund der Fußball-WM ein starkes Jahr für den Nahverkehr war. Für 2008 liegen zwar noch keine Zahlen vor, doch auch hier sei der „Trendverlauf recht positiv“, wie es beim VDV heißt. „Wir gehen davon aus, dass der Zuwachs auch mit den gestiegenen Energiepreisen zusammenhängt“, sagt VDV-Statistikerin Ursula Dziambor.

Eine alte Technik kommt damit zu neuen Ehren. Die erste elektrische Straßenbahn der Welt fuhr im Mai 1881 in Berlin-Lichterfelde. Zur Jahrhundertwende zogen zahlreiche Städte nach und bauten oft zeitgleich mit ihren Elektrizitätswerken auch elektrische Bahnen. In der Nachkriegszeit jedoch wurde man der Tram vielerorts überdrüssig und baute sie ab.

Knappe Energie und steigende Spritpreise beflügeln heute ihre Renaissance. Schon mit der ersten Ölkrise 1973 hatte man begonnen umzudenken, doch ihren wahren Boom erlebt die Tram jetzt bei Spritpreisen von rund 1,50 Euro. Als hätten sie den Preisschub vorausgesehen, haben einige Städte wie Freiburg und Karlsruhe ihr Schienennetz in den letzten Jahren deutlich ausgebaut. Doch nicht nur in Deutschland wächst die Liebe zur Tram, auch in Frankreich. Straßburg brachte die Straßenbahn bereits im November 1994 zurück in die Stadt, nachdem man sie 1960 stillgelegt und den Wagenpark öffentlich verbrannt hatte. Heute gibt sich auch Präsident Nicolas Sarkozy als Freund der Tram; kürzlich schlug er vor, bis 2020 über 1.500 Kilometer neue Straßenbahnlinien im Land zu bauen.

Weil aber auch für Straßenbahnen die Energiekosten steigen, arbeiten die Fahrzeugbauer an neuen Techniken, vor allem an der konsequenten Nutzung der Bremsenergie. Zwar ist die Rückspeisung von Bremsenergie schon recht verbreitet, doch nicht immer bietet sich diese Technik in der Praxis an. Denn sie setzt voraus, dass sich jeweils zum gleichen Zeitpunkt in der Nähe ein anderes Fahrzeug befindet, das die Energie aufnehmen kann. Wo das nicht der Fall ist, geht Bremsenergie verloren. Nach Zahlen den Fahrzeugbauers Bombardier werden in heutigen Schienenleichtfahrzeugen oft nur 15 Prozent der eingesetzten Energie zurückgewonnen, obwohl bis zu 40 Prozent möglich wären.

Dieses Potenzial lässt sich nur erschließen, wenn die Bremsenergie an Bord der Fahrzeuge gespeichert und beim nächsten Anfahren wieder genutzt wird. Möglich wird das durch Hochleistungskondensatoren, sogenannte SuperCaps, die in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht haben. Eine solche Technik setzen etwa die Mannheimer Verkehrsbetriebe MVV ein. Die Einsparung liege bei 30 Prozent, heißt es.

Doch nicht nur neue Technik kann Straßenbahnen in Zukunft noch energiesparender machen. Andreas Hildebrandt, Sprecher der Freiburger Verkehrs AG, nennt noch einen anderen Faktor: „Die beste Möglichkeit, den Verbrauch pro Fahrgast zu senken, ist die weitere Verbesserung der Auslastung.“

BERNWARD JANZING

Sicher gibt es Näherliegendes, aber die gebeutelte US-Luftfahrtindustrie will nun mit einer ganz alten Erfindung Erfolge erzielen: Boeing plant die Wiederauflage eines Zeppelins. Das Luftschiff soll mithilfe deutscher Technik 40 Tonnen schwere Lasten mindestens 300 Kilometer weit ohne Auftanken befördern, verkündet Boeing auf seiner Webseite. Die modernisierten Dinosaurier seien „umweltfreundlich“ und machten es beispielsweise überflüssig, Transportwege in schwer zugängliche Gebiete zu bauen.

Vier Rotoren sollen das Luftschiff mit Helium antreiben – die Fracht hängt an Seilen unter dem gewaltigen Bauch, gedacht ist zum Beispiel an Ölsand aus Kanada und Rohstoffe aus Alaska. Der US-Konzern ist dazu eine Partnerschaft mit dem kanadischen Unternehmen SkyHook International eingegangen. Die Liste der Interessenten sei bereits lang, behauptet SkyHook-Präsident Pete Jess. Die Firma hält das Patent für das „Jess Heavy Lifter“ genannte Luftschiff JHL-40. Boeing will es perfektionieren und in Pennsylvania zwei Prototypen bauen. Ein konkreter Zeitplan für den Antrag einer Zulassung wird nicht verraten.

Womöglich will Boeing aus deutschen Fehlern lernen: Im Jahr 2000 hatte sich da das Unternehmen CargoLifter an der Börse Geld geholt, um das weltgrößte Fracht-Luftschiff zu entwickeln, das 160 Tonnen durch die Lüfte schweben sollte – aber zehntausende Kleinaktionäre hatten nicht genug Luft für eine Verlängerung dieser Vision, nachdem ein Prototyp vom Winde verweht und böse ramponiert wurde. 2002 ging das Brandenburger Unternehmen schließlich pleite.

Eine andere, historische Pleite steht wohl dem Image einer Neuauflage des alten Leichter-als-Luft-Prinzips im Weg: Am 6. Mai 1937 ging der deutsche Zeppelin „Hindenburg“ in Lakehurst nahe New York binnen 34 Sekunden in Flammen auf. Die spektakulären Bilder dieses Unglücks haben sich in das Gedächtnis der Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks gebrannt. Unglaublich, dass dieses Inferno 62 der 97 Menschen an Bord überlebten. Die legendäre Radioreportage von Herbert Morrison wurde als besonders erhaltenswertes Dokument in das National Film Registry der USA aufgenommen. Die Unglücksursache wurde nie abschließend geklärt, aber alle Untersuchungen betonen, dass die „Hindenburg“ mit Wasserstoff flog. Statt mit diesem leicht entflammbaren Material sollte das Luftschiff mit den riesigen Hakenkreuzen am Heck ursprünglich mit Helium gefüllt werden – doch die USA hatten damals ein Monopol auf Helium und weigerten sich, Nazi-Deutschland zu beliefern.

Zumindest diesbezüglich ist jetzt die Luft rein. Das Boeing-Projekt soll mit deutscher Sicherheitstechnik abheben. Firmensprecher betonen, dass niemand mehr in Gigantismus verfalle: Das neue Luftschiff sei etwas kleiner als ein Fußballfeld, und man strebe nur 40 Tonnen Fracht an, nicht 160 wie der gescheiterte CargoLifter. 40 Tonnen passen zwar auch auf einen Lastwagen mit Anhänger – aber Autobahnanschlüsse sind in den Weiten Alaskas und Kanadas eben selten. KARIN DECKENBACH

Manche gute Idee braucht etwas Zeit, bis sie sich durchsetzt. Am Samstag vor einer Woche ist in der Kieler Lindenau-Werft der Rumpf eines Segelschiffs vom Stapel gelaufen, das im wesentlichen von vier rotierenden Säulen angetrieben werden soll. Diese „Flettner-Rotoren“ sind bereits in den 1920er-Jahren in Deutschland entwickelt worden. Die Klimadebatte und die hohen Ölpreise machen sie jetzt wieder interessant.

Die rotierenden Rohre sind nur eine von drei neuen Techniken, die dem Windantrieb in der Schifffahrt eine Renaissance verschaffen könnten. Bereits erfolgreich im Probebetrieb bei zwei Handelsfrachtern eingesetzt ist der Zugdrachen der Hamburger Firma „Skysails“, mit dem sich bis zu 50 Prozent Treibstoff sparen lassen. Und die 88-Meter-Yacht „Maltese Falcon“ jagt seit 2006 als fortentwickelter Rahsegler mit dem Prinzip des „Dynarigg“ über die Meere. Die Segel eines Masts bilden dabei eine geschlossene Fläche. Sie werden automatisch um den Mast auf- und abgerollt.

Bezogen auf die transportierten Mengen ist der Schiffsverkehr zwar sehr umweltfreundlich. Das schiere Ausmaß des Verkehrs jedoch und die schlechte Qualität des dabei verbrannten Treibstoffs machen ihn dennoch zu einem Umweltproblem. Die Welthandelsflotte verbraucht mit rund 280 Millionen Tonnen Öl schon heute mehr als doppelt so viel pro Jahr als ganz Deutschland. Hält das Wachstum ungebremst an, werden es 2020 schon 400 Millionen sein. Schiffe blasen rund drei Prozent der vom Menschen erzeugten Klimagase in die Atmosphäre, sowie große Mengen an Ruß, Schwefel und Stickoxiden.

Viel davon ließe sich vermeiden, wenn die Reeder ihre Schiffe mit Zugdrachen wie dem Skysail ausstatten würden. Dieser hat die Form eines Gleitschirms. Am Bug des Schiffes angebracht, kann er mithilfe eines Hebearms automatisch entfaltet und in den Wind gehoben werden. Im Gegensatz zu herkömmlichen Segeln beansprucht er an Deck nur ein Minimum an Platz. Er kommt Ladebäumen und Brücken nicht in die Quere und lässt das Schiff nicht krängen, also Schräglage erhalten. Die Reedereien Beluga-Shipping aus Bremen und Wessels aus dem Emsland fahren bereits mit dem Drachen.

LEBEN AUF RESERVE

Die Energiepreise steigen stetig, Rohstoffe sind teuer wie noch nie. Was Appelle von Umweltschützern jahrzehntelang nicht vermochten, schafft nun der Preisdruck: Ein sparsamer Umgang mit Ressourcen wird zur Pflicht. Und damit rücken wieder Technologien in den Mittelpunkt, die lange Zeit als unmodern oder wenig praktikabel galten. Die drei Beispiele dieser Seite sind nur der Anfang einer Serie, in der wir uns diesem Trend widmen.

Die taz hat ihre Auslandskorrespondenten gebeten, aufzuschreiben, wie die hohen Preise den Alltag rund um den Globus verändern. Herausgekommen sind überraschende Geschichten. Etwa diese: Bundesweit ist darüber berichtet worden, dass anatolische Bauern sich statt auf den Traktor wieder auf den Esel setzen. Der Bauer tat es nur einmal – für die Medien. Die Geschichte hat sich gut verkauft. Was sich wirklich schon geändert und was sich noch ändern könnte, lesen Sie ab morgen in der Serie „Leben auf Reserve“ auf den Seiten „wirtschaft und umwelt“. TAZ

Ein Schiff mit Flettner-Rotoren soll ab dem kommenden Jahr die Windkraftanlagen der Auricher Firma Enercon zur Kundschaft in Übersee bringen. „Bei der Frage nach regenerativen Lösungen zum Ersatz der konventionellen Energieerzeugung darf der Transportsektor nicht vernachlässig werden“, sagt Firmengründer Aloys Wobben. „Nun werden wir mit dem E-Ship ziegen, dass sich mit den Segelrotoren im Schiffsverkehr viel Treibstoff einsparen lässt .“

Die rotierenden Zylinder reißen Luft mit sich. Bläst der Wind seitlich darauf, wird die Luft in Rotationsrichtung beschleunigt. Es entsteht ein Unterdruck, der das Schiff vorwärts treibt.

Auch das Prinzip des Dynariggs, eine Idee des Hamburger Ingenieurs Wilhem Prölss, ist schon 40 Jahre alt. Der amerikanische Multimillionär Tom Perkins hat eine Hightech-Version davon auf seinen „Malteser Falken“ setzen lassen. Sie soll deutlich schärfer gegen den Wind fahren können als herkömmliche Rahsegler.

„Der ‚Malteser Falke‘ ist ein Spielzeug von Tom Perkins“, findet der ehemalige Segelschiff-Kapitän Hartmut B. Schwarz. Perkins System fehle die Robustheit. Es sei daher „für die normale Schifffahrt ungeeignet“.

Schwarz’ eigene Variante soll Massengutfrachter antreiben, die nicht so sehr unter Termindruck stehen, wie etwa Containerschiffe. Im Gegensatz zum Skysail wäre das Dynarigg der Hauptantrieb. Ein Reeder, der es ausprobieren will, wird noch gesucht.

GERNOT KNÖDLER