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Archiv-Artikel

Plätscher, braus, britzl

Baubeginn für den ersten Offshore-Windpark vor der ostfriesischen Insel Borkum. Das Testfeld „Alpha Ventus“ mit zwölf Windmühlen soll bereits im Herbst den ersten Strom liefern. Der Energiemulti RWE will sogar in drei neue Projekte einsteigen

Verplanter Wind

Derzeit sind in Deutschland etwa 19.900 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von gut 23.000 Megawatt (MW) installiert. Dabei rangiert Niedersachsen mit knapp 5.800 MW-Leistung auf dem ersten Platz vor Schleswig-Holstein, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Offshore-Windparks müssen vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie genehmigt werden. Derzeit gibt es die Zustimmung für 21 Projekte, davon 18 in der Nordsee und drei in der Ostsee mit rund 1.200 Windkraftanlagen. Nach Plänen der Bundesregierung sollen bis 2030 in der deutschen Nord- und Ostsee 30 Windparks mit bis 25.000 Megawatt Leistung gebaut werden. Zum Vergleich: Das Atomkraftwerk Krümmel ist mit 1.440 Megawatt in der Theorie das leistungsstärkste in Norddeutschland – in der Praxis steht es seit fast 14 Monaten still.  SMV

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Der Norden wird demnächst vom Winde verwöhnt. Noch in diesem Monat sollen die Arbeiten für den ersten deutschen Windpark auf hoher See beginnen, sagte am Montag Lutz Wiese vom Energieversorger Vattenfall. Der genaue Termin sei jedoch „wetterabhängig“. Rund 45 Kilometer vor der ostfriesischen Insel Borkum soll das Pilotprojekt „Alpha Ventus“ mit zwölf Windrädern den Testbetrieb aufnehmen. Der erste Strom soll im Herbst fließen. Das sei, sagt Wiese, „ein sehr sportliches Ziel“.

Ein Spezialschiff soll die Fundamente für die Anlagen der Fünf-Megawatt-Klasse in 30 Meter Tiefe versenken. Mit dem Projekt mit einer Gesamtleistung von 60 Megawatt (siehe Kasten) sollen grundlegende Erfahrungen für den Bau und Betrieb von Offshore-Windparks gesammelt werden. Unter dem Namen „Borkum-West“ war Alpha Ventus bereits vor sieben Jahren vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg genehmigt worden. Der Antragsteller Prokon machte von der Genehmigung jedoch nie Gebrauch und verkaufte sie 2005 an die seinerzeit gegründete Stiftung Offshore-Windenergie.

Ihr gehören Herstellerfirmen, Energieversorgungsunternehmen, Verbände, Ingenieurbüros, die Bauwirtschaft und die Zulieferindustrie, die norddeutschen Küstenländer und die zuständigen Bundesressorts an. Vorstandsvorsitzender ist der Hamburger Rechtsanwalt Jörg Kuhbier, von 1983 bis 1991 Energie- und Umweltsenator und bis 2000 SPD-Parteichef in der Hansestadt.

Die Stiftung wiederum hat ihre Rechte an die Deutsche Offshore Testfeld- und Infrastruktur Gmbh (Doti), eine Tochter der Energieversorger EWE, E.on und Vattenfall verpachtet, die nun tatsächlich mit dem Bau loslegt. Das Investitionsvolumen beläuft sich auf 180 Millionen Euro, das Bundesumweltministerium fördert das Testfeld mit 50 Millionen Euro.

Schon einen Schritt weiter ist die Hamburger Firma Repower. Der drittgrößte deutsche Hersteller von Windkraftanlagen hat gerade die erste von sechs Windkraftanlagen des Typs 5M für den belgischen Offshore-Windpark Thornton Bank fertig installiert. Das Projekt etwa 30 Kilometer vor der Küste ist der erste belgische Hochseewindpark.

Der Prototyp der 5M, die fünf Megawatt Leistung erbringt, war 2004 an Land neben dem Atomkraftwerk Brunsbüttel errichtet worden und ist mit einem Rotordurchmesser von 126 Metern die weltweit größte und leistungsstärkste Windanlage. Eine 5M auf See kann pro Jahr etwa 6.000 Drei-Personen-Haushalte mit Strom versorgen.

Zugleich kündigte Repower an, seine Offshoreanlagen nicht mehr in Brunsbüttel, sondern künftig in einem neuen Fertigungswerk in Bremerhaven in Serie zu produzieren. Die ersten sechs 5M, die dort ab Herbst gefertigt werden sollen, sind für Alpha Ventus bestimmt.

Auch der Energiekonzern RWE hat jetzt angekündigt, in den kommenden fünf Jahren zwei bis drei große Windparks mit etwa 1.000 Megawatt in der deutschen Nord- und Ostsee zu erreichten. „Wir reden mit allen, die verfügbare Flächen haben“, sagte der Chef der Ökostrom-sparte RWE Innogy, Fritz Vahrenholt. Bei durchschnittlichen Kosten von etwa drei Millionen Euro pro Megawatt offshore müsste RWE rund drei Milliarden Euro investieren.

Vahrenholt, zuvor langjähriger Vorstandschef bei Repower und von 1991 bis 1997 SPD-Umweltsenator in Hamburg, hält jedoch die Pläne der Bundesregierung für wenig realistisch, bis 2030 Offshore-Windräder mit einer Leistung von 25.000 Megawatt zu installieren. „Wenn in der Nord- und Ostsee 2012 insgesamt 2.500 bis 3.000 Megawatt Strom erzeugt werden, dann hat Deutschland einen guten Erfolg erzielt“, sagte er.

Der Bundesverband Windenergie (BWE) kritisiert unterdessen die schlechten Bedingungen für das Aufstellen großer Windkraftanlagen auf dem Festland. Die unterschiedlichen Höhen- und Abstandsregelungen in den Bundesländern behinderten die Entwicklung neuer Anlagen zur Serienreife, sagte der Verbandspräsident Hermann Albers. So sei es beinahe nicht möglich gewesen, Anlagen der Fünf- bis Sechs-Megawatt-Klasse in Deutschland zu bauen, bemängelte der Nordfriese. Albers hat als einer der Ersten schon in den 1980-er Jahren auf seinem Hof bei Husum eine Windanlage aufgestellt.

„Wenn die Rahmenbedingungen nicht gut genug sind, gibt es keinen Grund, die Produktion in Deutschland zu behalten“, so Albers. Nach Angaben des BWE arbeiten derzeit in Deutschland rund 90.000 Menschen in der Windenergiebranche, noch in diesem Jahr sollen 10.000 hinzukommen.