Die KP führt Regie

Chinas Starregisseur Zhang Yimou spricht über politische Einflussnahme auf die olympische Eröffnungsshow und entlarvt sich selbst

AUS PEKING JUTTA LIETSCH

Bei der Abschlussfeier der Olympischen Spiele am Sonntag in Peking soll es leichter zugehen als bei der Eröffnung. Die kündigte der verantwortliche Regisseur Zhang Yimou, Chinas berühmtester Filmemacher, am Dienstag gegenüber der amtlichen Agentur Xinhua an. Zhang hatte auch bei der Eröffnung am 8. August die künstlerische Leitung und mit perfekten Massenszenen und Lichtspiel international Bewunderung erregt. Später stellte sich heraus, dass Teile der Show manipuliert waren.

Nun schildert der Meister der Massen erstmals in einem Interview der Zeitung Südliches Wochenende, wie das Spektakel entstand, und offenbart, wie stark die Partei bei Olympia mitredet. Das Interview mit dem Blatt aus Guangzhou, einem der kritischsten Chinas, gibt nicht nur einen Einblick in die Arbeit der Propagandafunktionäre. Es enthüllt auch das Denken des Künstlers, der sich vom verbotenen Filmemacher zu Chinas Showmaster wandelte und nun nach der Pfeife der KP tanzt.

Mehr als ein Jahr lang hatte Zhang mit einem großen Mitarbeiterstab und 15.000 Soldaten, Tänzern und Artisten für die Eröffnung geprobt. Noch nie seit Gründung der Volksrepublik 1949 war eine Show immer wieder von so vielen Spitzenfunktionären begutachtet worden, berichtet er. Jedes Mal, wenn er ihnen Proben zeigte, habe „der höchste politische Führer“ gesagt: „Yimou, es ist schwer, es jedem recht zu machen. Ihr Regisseure müsst alle Meinungen aufnehmen, aber ihr müsst es so machen, dass es Kunst wird.“ Zhang nennt keine Namen. Es könnte sich um Vizepräsident Xi Jinping handeln, der im neunköpfigen Ständigen Ausschuss des Politbüros sitzt und dem im Frühjahr die Verantwortung für das Gelingen von Olympia im Sinne der KP übertragen wurde.

Er habe immer „einen klaren Kopf behalten“ müssen, wenn ein sehr hoher Politiker seine Meinung sagte, erinnert sich Zhang. „Widerspruch kommt nicht in Frage.“ Es sei weder „unmöglich, etwas zu erklären oder zu antworten, noch kann man sagen: Diese Meinung passt mir nicht, also hören wir nicht darauf.“ Zhang: „Selbst wenn ich denke, diese Änderungen sind nicht nötig, muss ich sie trotzdem machen, ich muss es tun.“ Immer wieder hätten seine Mitarbeiter sich gewehrt, wenn neue Einwände von oben kamen.

Zhangs Antwort an sein Team war in solchen Momenten: „Egal ob es euch im Herzen widerstrebt oder ob ihr aus freien Stücken auf diese Idee gekommen seid, müsst ihr hinter jeder Änderung mit eurer ganzen Person und mit vollem Herzen stehen, um es perfekt zu machen.“ Schließlich könne man dem Publikum bei der Vorführung ja nicht erklären, dass die Originalversion besser gewesen sei.

Bis kurz vor der Show kamen Änderungswünsche von oben, berichtet Zhang. Häufig erschienen Dutzende Kader gleichzeitig, um sich die Proben anzuschauen. „Wenn mehr als drei von ihnen einer Meinung waren, habe ich ihre Einwände beachtet. Wirklich. Weil ich wusste: Dies ist eine Prüfung. Die Führer wussten: Dies ist eine gewaltige Angelegenheit für die Nation.“

Was die KP-Funktionäre jeweils störte, enthüllt Zhang nicht. Dass ihm die ewige Einmischung nicht passte, deutet er nur an. Stattdessen lobt er die Zensoren: „Sie hatten alle einen klaren Kopf. Diese neuen Führer sind alle Hochschulabsolventen mit einem Magister- oder Doktortitel.“ Er erkennt sich in ihnen wieder: „Wir sind alle ungefähr im selben Alter.“ Alle hätten ähnliche Erfahrungen gemacht, waren etwa als Jugendliche unter Mao aufs Land geschickt worden. „Deswegen kamen ihre Meinungen nicht aus dem Nichts.“

Zhang greift die Kritik auf, dass sein Massenspektakel mitunter denen glich, wie sie der Liebe Führer Kim Jong Il in Nordkorea so heftig liebt – und findet daran nicht nur Schlechtes. „Nummer 1 ist Nordkorea. Seine Vorführungen sind so einheitlich! Diese Uniformität bringt Schönheit.“ Nur die Chinesen seien auch dazu fähig, so viele Menschen in Gleichklang zu bringen. Wie die beweglichen Schriftzeichen in seiner Show: „Sie befolgen Befehle. Ausländer bewundern das. Das ist der chinesische Geist.“ Für die Szene hatten über 900 Soldaten sieben Stunden lang in brütender Hitze unter Plastikkästen ausgeharrt.

In Europa habe er selbst erlebt, wie schwierig es ist, Opern zu inszenieren: „Das war so mühsam. Sie arbeiten nur viereinhalb Tage die Woche.“ Und sie machten andauernd Kaffeepause. Dort könne man den Menschen „keine Unbequemlichkeit“ zumuten, allein „wegen der Menschenrechte“. Alle seien dort irgendwie organisiert oder in der Gewerkschaft. Seine Chinesen hingegen seien bereit, sehr hart zu arbeiten. „Deshalb bringen unsere Darsteller eine so großartige Vorstellung fertig.“