klimacamp-tagebuch (V): Jeder muss für alle auf alles vorbereitet sein
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MARTINA HELMKE, 20, angehende Studentin der Ethnologie in Hamburg, berichtet bis Freitag für die taz von ihren Eindrücken als Teilnehmerin des Antira- und Klimacamps in Lurup.

Nach der spontanen Belagerung der „Moorburg“ herrschte im Camp zunächst Unruhe. Über Mundpropaganda versuchte man sich immer wieder auf den neuesten Stand zu bringen oder zu erfahren, ob denn diese schon wieder zurück sei oder wo denn jener in Gewahrsam gehalten werde. Statt zu feiern bemühten wir uns schnellstmöglich Fahrer und Autos zu finden, um mit einem Topf Suppe im Gepäck die festgehaltenen Mitstreiter abzuholen. Diese Atmosphäre der Solidarität, des ausnahmslosen Zusammenhalts des Camps, der sich an diesem kleinen Akt der Besorgnis zeigte, stärkte in mir das Gefühl der Sicherheit in dieser doch so großen und gemischten Gruppe.

Heute war dann natürlich der Verlauf der vergangenen Aktion und dessen Folgen für das anstehende Wochenende Gesprächsthema Nummer eins. Auch wenn die eigentliche Demonstration, „Wilhelmsburg geht baden“, dabei fast etwas in den Hintergrund rückte. Um trotzdem mehr darüber zu erfahren, legte ich mich nach dem Frühstück in die Nähe einer der Lautsprecher des Camp-Radios, wo ein Korrespondent der Demo kritisch über die vom Senat betriebene „Aufwertung“ des Stadtteils unter anderem durch große Musik- und Kulturevents wie das Elbinselfestival berichtete. Veranstaltungen, die im Rahmen des Konzeptes der „wachsenden Stadt“ an den realen Bedürfnissen der Menschen vor Ort vorbeigingen. Außerdem sei Wilhelmsburg Symbol für eine klimaschädliche Politik; nicht nur durch seine bedrohte Insellage sondern eben auch aufgrund der nahe gelegenen Baustelle des geplanten Kraftwerks. Zu dem es dann auch den Korrespondenten, wie er ehrlich zugibt, bald zog.

Für Alexis von Gegenstrom08 bedeutet diese Aktion in erster Linie, dass „wir ab jetzt mit erhöhtem Polizeiaufgebot rechnen müssen“ und auch eine der KrahnbesetzerInnen spricht von großem Glück durch die schlecht vorbereitete Polizei und die beeindruckende Solidarität der meisten Arbeiter auf der Baustelle, von denen viele den Protest gegen Vattenfall unterstüzten.

Dennoch habe der chaotische Verlauf der Aktion auch deutlich gemacht, dass viele noch kein Aktionstraining besucht hätten, auf das heute verstärkt aufmerksam gemacht wurde. Das nahm ich mir zu Herzen und besuchte eines der intensiven Trainings, auf denen neben dem Ausprobieren unterschiedlicher Taktiken auch die Psyche in entsprechenden Situationen eine Rolle spielte. Und so wich die gerade gewonnene Zuversicht und Motivation des Vortages schnell einem beklemmenden Gefühl angesichts der Erfahrungsberichte anderer Workshopteilnehmer im Umgang mit der Polizei. Am Schluss wurde mir bewusst, dass sich jeder Einzelne schon aus Verantwortungsgefühl allen anderen gegenüber ausreichend vorbereiten müsse; so viel zum Thema „Chaos“-Camper.

Offenbar geht es nicht nur mir so, denn überall auf dem Camp ist zu beobachten, wie sich Leute zusammensetzen und vielleicht das Verhalten ihrer Bezugsgruppen besprechen. Auch die Clowns üben zu unserer Belustigung fleißig unter freiem Himmel, und das große Zirkuszelt wird zur Transpi-Werkstatt. Am Ende des Tages bleibt meine einzige Sorge der Regen, der schon wieder über die Zelte hereinbricht.