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Archiv-Artikel

kommentar des tages Alien vs. Predator

In Peking lässt sich derzeit ein seltenes Schauspiel beobachten. Wann sonst darf man schon Zeuge werden, wenn zwei autokratische Systeme einander ins Gehege kommen und doch – anders als sonst üblich – gute Miene zu den tollen Spielen machen? Dabei teilt die chinesische Regierung mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) das prinzipielle Interesse am reibungslosen Ablauf der Veranstaltung. Darin erschöpfen sich aber auch schon die Gemeinsamkeiten.

Das IOC sorgt sich als Zeremonienmeister und Inhaber entsprechender Markenrechte in erster Linie um die kommerzielle Ausbeutung eines Spektakels, das seinen eigentlich Wert vor allem dem ideellen Sahnehäubchen der angeblichen Völkerfreundschaft verdankt. Genau dieses Sahnehäubchen wurde mit sanfter Gewalt beiseite gewischt von der Führung eines Vielvölkerstaates, dem sich vor allem tibetische und uigurische Völker keineswegs freundschaftlich verbunden fühlen. Deshalb darf China, neben vielen anderen Einschränkungen, auch das Internet als Schmiermittel frei fließender globaler Kommunikation nötigenfalls abdrehen.

Nach dem Staatsrechtler Carl Schmitt ist derjenige Souverän, der über den Ausnahmezustand verfügt. Und der von China verhängte Ausnahmezustand für das IOC besteht darin, dass es diesmal nicht kann, wie es gerne würde. Wenn man es lässt, geriert es sich gerne wie eine strenge Bauaufsicht, die über die rechtzeitige Errichtung der Sportstätten wacht wie die UNO über die Einhaltung des Völkerrechts. Wie sehr solche strukturell autoritäre Organisationen in die Souveränität demokratischer Staaten eingreifen können, konnte, wer wollte, bei der Fifa-Weltmeisterschaft in Deutschland nicht übersehen; in der Formel 1 ist es der Automobil-Weltverband FIA, der diese Rolle spielt und sogar Staaten wie Malaysia oder Katar seinen Segen erteilt, solange er das Sagen hat.

Was Fifa, FIA oder IOC tatsächlich feilbieten, ist weniger die sportliche Veranstaltung, sondern das durch die Ausrichtung zugeteilte Prestige. Gerade stabile Demokratien beugen sich daher gerne mal einem teilweisen und von außen diktierten Ausnahmezustand, wenn ihnen dadurch die Gunst des IOC zufällt.

In China zieht das nicht. Dort kennt man die tendenziell totalitären Spielregeln selbst ganz gut, mit denen autokratische Systeme wie das IOC ihre Pfründen sichern. Nur dienen diese Regeln nach dem Willen Pekings hier einem höheren, namentlich nationalen Interesse – und nicht dem eines sportlichen Wanderzirkus.

ARNO FRANK