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Archiv-Artikel

Einkaufen im Verein

Die Warenwirtschaft in Ottensen ist Hamburgs erster Mitgliederladen für fair gehandelte Bio-Produkte. Wer dort monatlich einen festen Beitrag zahlt, kann deutlich günstiger einkaufen

„Wir wollten den Laden machen, in dem wir auch selbst gerne einkaufen würden“, beschreibt Anne Knauss ebenso simpel wie einleuchtend die Idee zur Gründung der Warenwirtschaft, welche sie seit Anfang August gemeinsam mit vier Freunden betreibt. Dabei meint die 34-jährige gelernte Krankenschwester jedoch nicht nur den einladenden Charme des Ladens, ein mit einem kleinen Café, Sofas, Sesseln und einer Holzterrasse ausgestatteter Gegenentwurf zur praktisch-kühlen Atmosphäre konventioneller Discounter. Sondern vielmehr das Konzept dahinter.

„Bei uns kann man praktisch alle Lebensmittel des täglichen Bedarfs zum Großhandelspreis kaufen – und das fair und komplett ökologisch.“ Um dies in Anspruch nehmen zu können, muss man Mitglied der Warenwirtschaft werden – und dafür monatlich 19 Euro bezahlen. Mit den Mitgliedsbeiträgen finanzieren die fünf Betreiber und Betreiberinnen, allesamt zuvor ohne echten Bezug zur Lebensmittelbranche, laufende Kosten und größtenteils auch ihre eigenen Löhne. Somit können sie bei den Preisen auf große Gewinnspannen verzichten und ein niedriges Preisniveau weit unter dem herkömmlicher Bioläden bieten, ohne dabei eigenen ökosozialen Ansprüchen zu widersprechen.

„Die Mitgliedschaft“, erklärt Anne Knauss und füllt dabei eine Schale mit frischen Kaffeebohnen auf, „lohnt sich natürlich nur, wenn man relativ viel und auch regelmäßig bei uns einkauft.“ Doch schon ab einer monatlichen Einkaufssumme von rund 55 Euro rentiert sich das Geschäft für den Kunden. Der durchschnittliche Preisnachlass gegenüber der Konkurrenz liegt bei etwa 25 bis 30 Prozent – je nach dem jeweiligen Einkaufsverhalten.

Denn während sich das Ein- und Verkaufs-Preisgefälle zum Beispiel bei Milch in Grenzen hält, kann der Kunde beim Kauf von Obst und Gemüse besonders viel sparen. Hier ist die Gewinnspanne anderer Bio-Läden für gewöhnlich am höchsten. Doch auch Fleisch, Brot, Wein oder Waschpulverkonzentrat, für Mitglieder der Warenwirtschaft seien die Produkte im Vergleich zur Konkurrenz immer etwas günstiger. „Gerade im Frischebereich sind unsere Mitgliederpreise so gut, dass wir oft noch unter den Preisen konventioneller Produkte in konventionellen Supermärkten liegen.“

Mit ihrem unkonventionellen Verkaufsprinzip setzen die Betreiber der Warenwirtschaft vor allem auch auf die Ehrlichkeit ihrer Kunden. „Für den Fortbestand des Ladens in dieser Form ist es sehr wichtig“, so Anne Knauss „dass alle, die von unseren Mitgliederpreisen profitieren, auch angemeldet sind und einen Beitrag zahlen, sonst funktioniert unser Modell schon sehr schnell nicht mehr.“

Bisher scheint die Rechnung jedoch aufzugehen: Obwohl es besonders in Hamburg-Ottensen zahlreiche Bio-Läden gibt, könne man sich über mangelnde Kundschaft bislang nicht beklagen. Anne Knauss berichtet lächelnd, dass nach den ersten zwei Wochen bereits doppelt so viele Mitglieder verzeichnet werden können wie erwartet.

Die Kundschaft ist bunt gemischt, die meisten kommen aus der direkten Umgebung, darunter auch viele ältere Leute. „Der Kontakt zu den Kunden“, erzählt sie, sei durch das Handeln im Kollektiv „netterweise auch etwas verbindlicher als gewöhnlich.“ Doch natürlich könnten in der Ottensener Warenwirtschaft auch Leute einkaufen, ohne Mitglied zu sein – dann jedoch zu den Preisen, die anderswo auch gezahlt werden.

CLAAS RELOTIUS