Der Überzeugungstäter

Der Hamburger Wirtschaftsstaatsrat Bonz steht vor der Entlassung. Er hat den schwarz-grünen Senat mit einem geheimen Vermerk düpiert und mit Enthüllungen über das Kraftwerk Moorburg gedroht

Am Autobahndreieck Hamburg-Nordwest will der Möbel-Riese Höffner eine Filiale mit 45.000 Quadratmetern Verkaufsfläche errichten. Anwohner und Geschäftsleute des nahe gelegenen Einkaufszentrums Eidelstedt sowie SPD und GAL im zuständigen Bezirk Eimsbüttel versuchen das zu verhindern. Sie argumentieren, der zusätzliche Autoverkehr würde das Viertel über Gebühr belasten und das zusätzliche Randsortiment dem Einzelhandel im Stadtteil massiv schaden. Vom Senat in Auftrag gegebene Gutachten bewerteten diese Bedenken als unbegründet.  SMV

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Der 113. Tag der schwarz-grünen Regierung dürfte der letzte Arbeitstag von Staatsrat Gunther Bonz sein. Nächsten Dienstag soll der zweite Mann in der Wirtschaftsbehörde von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) in den vorläufigen Ruhestand versetzt werden. Dem parteilosen Juristen Bonz wird vorgeworfen, sich „illoyal“ oder gar „bösartig“ verhalten zu haben. Außerdem soll der 52-Jährige gegenüber Oppositionsabgeordneten signalisiert haben, er werde „auspacken“, falls die neue grüne Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt, Anja Hajduk, im September den Bau des Kohlekraftwerks Moorburg untersagen sollte.

„Wir warten nur noch auf die Rückkehr des Bürgermeisters“, heißt es aus Koalitionskreisen. Der Regierungschef kommt am Montag aus dem Urlaub, der Staatsrat ebenfalls. Dann werde es „zeitnah“ ein Gespräch geben und danach „ist Schluss“. Bonz habe „ja deutlich genug um seinen Rauswurf gebettelt“.

Vorige Woche war pünktlich zur 100-Tage-Bilanz des CDU-GAL-Senats eine Protokollnotiz von Bonz öffentlich geworden. Danach sei am Rande der Koalitionsverhandlungen auf Verlangen der Grünen mündlich vereinbart worden, den Bau eines Möbelhauses der Kette Höffner zu stoppen. Es seien „fachliche Gründe zu entwickeln, die einen Stopp des Bebauungsverfahrens“ ermöglichten, hatte Bonz notiert. Dieser Vermerk war durch eine gezielte Indiskretion in die Welt gelangt.

Der Vorfall löste eine an Spekulationen reiche Debatte über weitere Geheimabsprachen zwischen CDU und Grünen aus, vor allem im Hinblick auf das umstrittene Kohlekraftwerk des Energiekonzerns Vattenfall. Die Handelskammer fürchtet um die „Glaubwürdigkeit des Standorts für Investoren“. SPD-Oppositionschef Michael Neumann konstatiert, dass „Schwarz-Grün mit einer faustdicken Lüge gestartet ist“.

Die Notiz entstand nach einer Sitzung am 18. Juni mit Hajduk und ihrem Amtsvorgänger Axel Gedaschko (CDU), der jetzt als Wirtschaftssenator der Vorgesetzte von Bonz ist. Bei diesem Treffen hatte Hajduk über eine Absprache berichtet, die sie am Rande der Koalitionsverhandlungen als damalige GAL-Parteichefin mit Bürgermeister von Beust und dem CDU-Vorsitzenden und Finanzsenator Michael Freytag getroffen habe.

Damals habe Hajduk deutlich gemacht, dass eine Realisierung des Möbelriesen für die Grünen „politisch sehr schwer vermittelbar ist“. Sie habe mit von Beust und Freytag das Einvernehmen erzielt, „den Bebauungsplan im Sinne einer neuen Lösung zu überprüfen“. Inhaltlich hat eine Senatssprecherin nach mehrtägigem Zaudern den Vermerk mit dem Zusatz bestätigt, dass die Prüfung „bisher nicht abgeschlossen“ sei.

Den Vermerk hatte Bonz ohne Mitwissen anderer und hinter dem Rücken seines Senators verfasst. Gedaschko versicherte nach der Veröffentlichung glaubhaft, davon nichts gewusst zu haben. „Dieser Vermerk gehört in die Kategorie der Notizen, die nur angefertigt werden, um andere in die Pfanne zu hauen“, empört sich ein Senatsmitglied. In diesem Fall gibt es gleich vier Opfer: einen Bürgermeister, einen Finanzsenator und eine Bausenatorin, die angeblich Ränke schmieden, und einen Wirtschaftssenator, über dessen Kopf hinweg entschieden worden sei. Kein Wunder, dass alle Vier auf Bonz nicht mehr gut zu sprechen sind.

Und ihre schlechte Laune wird sich noch steigern, wenn sie erfahren, dass der Staatsrat sich der Opposition andient. Der SPD habe Bonz sich als „Kronzeuge für einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss“ angeboten, berichtet ein führender Sozialdemokrat. Sollte Umweltsenatorin Hajduk im September das Vattenfall-Kohlekraftwerk Moorburg nicht genehmigen, könne er „Nachweise“ liefern. „Er hat gesagt, er habe Kopien der Unterlagen mit Stand Januar und Februar und könne deshalb eventuelle jetzige Manipulationen der Grünen nachweisen.“ Noch aber weiß der Spitzensozi allerdings nicht, ob er im Fall der Fälle Interesse haben wird: „Material gegen die Regierung ist immer gut, aber inhaltlich lehnen wir das Kraftwerk ja auch ab.“

Über die Motivation von Bonz wird im Rathaus derzeit nur spekuliert. Der Umweltszene der Hansestadt gilt er als „Grünen-Hasser“ und als „Henker“ von Altenwerder und Neuenfelde. Als Staatsrat und zuvor als Senatsdirektor der Wirtschaftsbehörde hat Bonz verantwortlich mitgewirkt an Elbvertiefungen, der Vernichtung des Fischerdorfs Altenwerder für die Hafenerweiterung und an der Erweiterung des Airbus-Werks Finkenwerder ins Ökotop Mühlenberger Loch und ins Obstbauerndorf Neuenfelde.

„Der will sauber bleiben, so wie er es versteht“, mutmaßt jemand, der Bonz beruflich gut kennt. „Was er nicht mitmachen will, macht er einfach nicht mit. Der ist Überzeugungstäter.“