: „Die heldenhafte Pionierzeit ist vorbei“
Der Wiener Literat Walter Famler beschäftigt sich mit dem Mythos der Raumfahrt. Ein Gespräch über den Popfaktor des Alls und seine Mission
WALTER FAMLER, 50, Kommandant der Bewegung Kosmos/Gruppe Gagarin, befasst sich mit früher Raumfahrt.
taz: Herr Famler, was ist so faszinierend an der Zukunft von gestern?
Walter Famler: Dass wir uns fragen: Was daran ist Zukunft, was ist Vergangenheit? In der Zukunft von gestern lässt sich die kollektive Fantasiemaschine erkennen, die alten Mythen der Seefahrer und Argonauten.
Warum bedient sich die Popkultur, so wie Sie selbst auch, statt der ungefilterten Heldenverehrung in der Regel des ironischen Untertons?
Wenn man ein gewisses Verständnis von historischen Entwicklungen und Desastern hat, ist Ironie auch ein Bewältigungsmechanismus. In der Pionierzeit der Raumfahrt hat man die Fortschrittsmythen euphorisch gesehen, dann ist die Betrachtung ins Melancholische und Ironische gekippt. Die heldenhafte Pionierzeit ist vorbei, der Schlusspunkt war die Landung auf dem Mond. Danach ist die Raumfahrt inflationiert worden. Heute ist die Raumfahrt eine rein wissenschaftlich-technische Angelegenheit und nicht mehr die von wagemutigen Militärfliegern.
Hat die Raumfahrt der Gegenwart ihr utopisches Potenzial eingebüßt?
Partiell ja. Wenn heute eine Crew ins Weltall startet, ist die Aufmerksamkeit dafür gering. Das utopische Potenzial einer Raumstation ist ausgeschöpft, das sinkt ja schon ins Touristische. Aber wenn es zum Beispiel um Flüge zum Mars geht, wird es neu generiert.
Eins der Ziele der Bewegung Kosmos lautet, „das Lächeln des Juri Gagarin weltweit und massenhaft in die Antlitze der Frauen zu zaubern“. Warum das?
Mit dieser klassisch-ironischen Agitpropformel gewinnen wir viele, die unserem Tun eher verblüfft oder distanziert begegnen.
Wollen Sie selbst mal ins All, statt die Kosmonauten immer nur zu verherrlichen?
Wir arbeiten dran. Wir wollen 2011 mit den Russen ins All fliegen. Für die Bewegung Kosmos bin ich Kandidat Nummer 1. Bei unserem Vorhaben sind wir innerhalb eines Jahres von einer Wahrscheinlichkeit gleich null auf 3,9 Prozent gekommen. Die Rechnung basiert allerdings auf einer sehr individuell verfassten Spieltheorie meinerseits.
INTERVIEW: ROBERT SCHIMKE