: Oldenburg wird vielfältig
Bislang herrscht in Oldenburg ein journalistisches Einerlei, denn es gibt nur die „Nordwest-Zeitung“. Jetzt droht dem Monopolisten mit dem Anzeigenblatt „Oldenburger Allgemeine“ Konkurrenz
VON FELIX ZIMMERMANN
Die in Oldenburg erscheinende Nordwest-Zeitung ist ihren Leserinnen und Lesern ein täglicher Quell der Freude – den einen, weil sie sich an Leitartikeln knapp über Stammtisch-Niveau ergötzen, die Nähe der Zeitung zu den lokalen Unternehmen schätzen und die Versuche der Lokalredaktion gutheißen, ein wohliges „Oldenburg ist toll“-Gefühl zu erzeugen. Der andere Teil der Leserschaft erfreut sich an der NWZ, weil sie ihm immer wieder Gelegenheit zum fröhlichen Lästern gibt.
In Oldenburg muss man sich Gesprächsthemen auf Partys nicht zwanghaft suchen, sondern kann sich über das Lokalblatt austauschen. Derzeit etwa befüllt es seine Seiten mit Berichten über eine Gedenksäule, auf der einst ein goldener Engel zur Erinnerung an den Sieg im Deutsch-Französischen Krieg 1870 / 71 stand, bis ihn die Nazis einschmolzen, weil sie Granaten bauen wollten. Es gibt Oldenburger, die wollen den Engel zurück, und die NWZ scheint von diesen Leuten angetan zu sein. Jedenfalls bietet sie ihnen viel Platz. Mehrfach konnte man auch erfahren, wie es um den Meniskus des bei der NWZ beliebten Oberbürgermeisters Gerd Schwandner steht, den er sich beim Joggen verletzt hatte. Abgesehen von täglichen Berichten über gestohlene Navigationsgeräte und beschmierte Hauswände ist da jedenfalls nicht viel, was wirklich interessiert.
Die Nordwest-Zeitung hat leichtes Spiel, sie agiert konkurrenzfrei. Diverse Anzeigenblätter kommen aus dem Verlag, und wer das Hauptblatt verschmäht, wird mit der Oldenburger Woche beglückt, einem Anzeigenblättchen mit aufgekochten Unwichtigkeiten aus der NWZ. Den Hunte-Report musste der Verlag auf Druck des Bundeskartellamtes abgeben, weil das dann doch zu viel Monopol war.
Jetzt könnte der Riese wanken, wobei das nur die Hoffnung derer ist, die nur die Familienanzeigen lesen, weil der Rest zu platt ist. Am 13. September soll mit der Oldenburger Allgemeine eine Anzeigenzeitung erscheinen, die völlig unabhängig von der NWZ sein soll. Jeden Samstag wird sie verteilt, Leute für den Vertrieb werden derzeit gesucht. Hinter der OA steckt die WINN Verlag Gesellschaft mbH & Co. KG i. G., zu deren Gesellschaftern Frank Willers zählt. Willers, 47, gebürtiger Oldenburger, ist in der Medienbranche bekannt: Bis 2000 leitete er die Anzeigenzeitungen-GmbH des Hamburger Verlags Gruner & Jahr, er verantwortet einige Internetportale und war zuletzt Geschäftsführer der Hamburger Morgenpost.
Dass er es ausgerechnet in Oldenburg versuchen will, wo die NWZ systematisch alles abdeckt, was mit Werbeanzeigen zu tun hat, ist mutig. Seine Geschäftsführerin, Marion Hülsebusch, aber ist überzeugt, dass die OA erfolgreich wird. „Der Markt kann ein unabhängiges Medium vertragen“, sagt sie, trotz oder gerade wegen des Monopolisten, den Hülsebusch gut kennt: 20 Jahre arbeitete sie bei der NWZ, unter anderem im Anzeigengeschäft. Die OA wolle „gut recherchiert berichten, was in Oldenburg so alles passiert“, sagt sie, und zwar „durchaus mit kritischen Anmerkungen“. Die Artikel liefert das Redaktionsbüro „Schmolke & Hümpel – Text aus Oldenburg“. Alexander Schmolke und Rieke Hümpel, zwei ehemalige NWZ-Volontäre, wollen sich vom üblichen Anzeigenzeitungsjournalismus absetzen, der sich Werbekunden anbiedernd nähert. Schmolke verspricht „eigene Geschichten“, in denen das „neue Oldenburger Selbstbewusstsein“ ausgedrückt wird, das der Oberbürgermeister so gern verkündet. Zwar klingt da auch nur die Lust auf Nähe durch, die die NWZ schon zum Rathaus hat, aber vielleicht findet die OA ja eine Nische.
Die Nordwest-Zeitung reagiert in einer Mitarbeiter-Mail betont gelassen auf die Konkurrentin: Sie und ihre Anzeigenblätter „waren noch nie so gut aufgestellt wie heute“, das „werden die neuen Marktteilnehmer merken, wenn sie kommen.“