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Archiv-Artikel

Der Oskar-Erfinder

Wenn einem etwas so Peinliches wie die Sache mit Charly passiert, passt man am besten auf, dass man sie nicht noch hochredet. „Es ist nicht schön“, hat Rainer Hoese, Chef des SPD-Ortsverbandes Alt-Saarbrücken, deshalb gesagt. „Aber wir sind alle der Auffassung, dass man das so akzeptieren muss.“ Auch Thorsten Bischoff, der Sprecher der Saar-SPD, hat nur ein bisschen gestichelt: „So gut scheint die Linke nicht aufgestellt zu sein, wenn Lafontaine Leute von außen braucht.“ Mehr verkniff er sich.

Oskar Lafontaine will im Saarland 2009 mit der Linken an die Regierung. Und jetzt hat er ausgerechnet Charly Lehnert als Wahlkampfmanager verpflichtet, ein Multitalent, das von seinen 69 Jahren die Hälfte in der SPD ist, im Parteivorstand von Alt-Saarbrücken sitzt und dort auch bleiben will.

Er lasse sein Amt nur ruhen, sagt Lehnert gemütlich. „Ich werde ja nicht für die Inhalte zuständig sein, sondern für die Werbung.“ Er tut so, als sei nichts dabei. Andererseits passt der Schritt wirklich zu seinem Leben. Er hat viel probiert. Er lackierte Autos, wurde Designer, ging zum Geschirrhersteller Villeroy & Boch. Spielte Gitarre in Tanzcafés, schrieb Zeitungskolumnen und gründete einen Verlag, in dem auch seine Bücher über Regionalkultur erscheinen, eins über das Kartoffelgericht Dibbelabbes ist dabei und eins über Wurst („Das Lyoner Buch“). Er ist ein neugieriger Mensch. „Ich hab immer gesagt: Ich hab’s noch nicht probiert.“ Jetzt probiert er, wie es ist, in einer Partei zu sein und für die andere zu werben.

Lehnert und Lafontaine kennen sich seit den Siebzigerjahren in Saarbrücken. Ein modernes Einkaufszentrum sollte in die Altstadt gestellt werden, einige Bürger wollten sie retten und Charly Lehnert war dabei. 1976 wurde Lafontaine Oberbürgermeister, er ließ sich überzeugen, die Altstadt sanft zu renovieren. Als er 1985 bei der Landtagswahl SPD-Spitzenkandidat wurde, engagierte er Lehnert. Dem fiel auf, dass die Leute in den Kneipen den CDU-Ministerpräsidenten immer „den Herrn Zeyer“ nannten, während Lafontaine „der Oskar“ war. So ließ Lehnert im ganzen Land Aufkleber verteilen, auf denen nur ein einziges Wort stand: „Oskar“.

Die Kampagne brachte Lafontaine an die Macht, sie funktionierte auch 1990 und 1995. Lehnert siegte noch mit der SPD in Sachsen-Anhalt. Dann ging Lafontaine nach Bonn, wo er bald mit der SPD brach. Lehnert ist Sozialdemokrat geblieben. Aber er sagt, er habe es immer gemocht, dass der Oskar seine Meinung offen sage.

Jetzt hat Lafontaine eine neue Partei und holt sich einen Experten aus der alten dazu. Einen, der über Dibbelabbes reden kann und spürt, wie das Saarland tickt. GEORG LÖWISCH