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Archiv-Artikel

Ungarn geht Österreich ans Leder

Drei Gerbereien verdrecken den Fluss Raab, der durch beide Länder und ein Naturschutzgebiet fließt. Deshalb hat sich die Regierung in Budapest für eine strengere EU-Richtlinie eingesetzt. Doch die Nachbarn geben sich gelassen

WIEN taz ■ Ungarn will Österreich wegen Verschmutzung des Flusses Raab verklagen. Grundlage dafür soll eine EU-Richtlinie sein, die alle Mitgliedsstaaten zu strengeren Bestimmungen über Chemikaliengrenzwerte für Flüsse verpflichtet. Die Richtlinie soll im September in Brüssel beschlossen werden. Sie kam vor allem auf Betreiben des ungarischen EU-Abgeordneten Lajos Oláh zustande, der seit Jahren gegen die Verseuchung der Raab kämpft.

Der Fluss, der in der Steiermark entspringt und bei Szentgotthárd die ungarische Grenze quert, präsentiert sich dort oft als stinkendes Rinnsal mit flockigen Schaumkronen. Schuld sind drei Ledergerbereien in der Steiermark und im Burgenland, die ihre Abwässer weitgehend ungeklärt in den Fluss leiten.

Der Cocktail aus 35 Chemikalien provoziert seit bald zehn Jahren den Ärger der ungarischen Anrainer. Ungarns Umweltminister Gábor Fodor, der im vergangenen Februar die Lage vor Ort studierte, erklärte damals, die Produktion der österreichischen Lederfabriken müsse entlang dem Fluss so lange reduziert werden, bis die volle Filterung ihrer Abwässer erreicht werde. Allenfalls seien die Gerbereien ganz zuzusperren.

Die Zusage, 2009 würden neue Filteranlagen installiert, reicht den Betroffenen nicht. Die Raab fließt mitten durch einen ungarischen Nationalpark. Die Konzentration der aus den Betrieben abgeleiteten Sulfonate im Raab-Wasser sei heute dreimal so hoch wie im April 2003, so der Umweltminister.

Von österreichischer Seite reagierte man auf die Proteste meist mit Beschwichtigungen. Schließlich geht es um rund 1.000 Arbeitsplätze in den drei Gerbereien. Es sei in erster Linie ein ästhetisches Problem, wiegeln Politiker ab. Die Schaumkronen seien nicht schön anzusehen, aber ungiftig. Ein Fischer berichtete im österreichischen Rundfunk hingegen vom Rückgang der Arten und Bestände und machte den Dreck aus den Gerbereien dafür verantwortlich.

Tatsächlich wurden fast alle 33 gefährlichen Giftstoffe, für die künftig EU-weit einheitliche Grenzwerte gelten, in der Raab nachgewiesen. Nach dem strengeren Wassergesetz, das Oláh demnächst in Kraft sehen will, muss geprüft werden, ob ein Fluss die Summe aller Chemiestoffe verkraftet, nicht ob die Abwässer einer einzelnen Fabrik unter dem Grenzwert bleiben.

In der steirischen Landesregierung gibt man sich gelassen. Die neue Richtlinie werde sich nicht auf das derzeit laufende bilaterale Aktionsprogramm auswirken. Vergangenes Jahr hatte eine hochrangig besetzte bilaterale Task Force eine Reihe von Lösungsvorschlägen vorgelegt, darunter vor allem verstärkte Kontrolle und strengere Gewässerschutzregeln. RALF LEONHARD