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Archiv-Artikel

Auslandsstudium in der Heimat

An der neu gegründeten Zweigstelle einer ungarischen Privatuniversität in Hamburg setzen deutsche Medizinstudenten kommende Woche ihr in Budapest begonnenes Studium fort. Somit bildet erstmals eine ausländische Hochschule Mediziner in Deutschland aus

Während Handwerker noch am letzten Feinschliff des Hörsaalgebäudes arbeiten, schaut Max Beckmann sich schon mal um. Obwohl das Semester erst am kommenden Montag beginnt, macht der 22-Jährige sich bereits vorab mit dem neuen „Asklepios Campus Hamburg“ am Krankenhaus St. Georg vertraut. Er ist einer von insgesamt 40 Nachwuchsmedizinern, die von Budapest nach Hamburg gekommen sind, um ihr Studium an der neu gegründeten Zweigstelle der ungarischen Semmelweis-Universität fortzusetzen.

Begonnen haben sie Selbiges vor zwei Jahren in Ungarns Hauptstadt. „Meine Abiturnote reichte damals nicht aus, um an einer deutschen Hochschule direkt genommen zu werden“, sagt Max Beckmann. In Budapest entfielen jedoch lästige Zulassungshürden in Form eines Numerus clausus für ihn. Zudem wird an der so genannten Semmelweis Orvostudományi Egyetem (SOTE) seit 1983 Human- und Zahnmedizin in deutscher Sprache gelehrt, weshalb er sich nicht besonders umstellen musste. Aus diesem Grund ist Max Beckmann auch längst nicht der einzige Studienanwärter, der sein Glück über den Umweg ins Reich der Magyaren gesucht hat, zumal die Ausbildung an der Semmelweis-Universität auch in Deutschland einen „ausgezeichneten Ruf“ genießt, wie Ottmar Kolber vom Außendienst der Bundesärztekammer sagt.

Dennoch verlassen rund 80 Prozent der deutschen Exilakademiker Budapest in der Regel schon nach dem zweiten Studienjahr. Denn mit bestandenem Physikum beginnt der klinische Teil der Ausbildung und die meisten Studenten lernen während der ersten beiden Jahre nicht genügend Ungarisch, um für die Arbeit mit einheimischen Patienten in den Krankenhäusern gerüstet zu sein.

Bei Max Beckmann war es ähnlich: „Ich hatte eigentlich immer im Hinterkopf, nach dem Grundstudium wieder nach Deutschland zu gehen“, berichtet er. Der Quereinstieg an hiesigen Hochschulen sei jedoch alles andere als einfach. Oft müsse auch jetzt noch mit einigen Semestern Wartezeit gerechnet werden. Für Max Beckmann stellt sich dieses Problem nicht mehr. Durch die Zweigniederlassung der ungarischen Universität in Hamburg kann er sein Studium ohne Unterbrechung in Deutschland fortsetzen und nach sechs Semestern und einem praktischen Jahr beenden.

Da der Abschluss nach ungarischem Recht erworben wird, bildet erstmalig eine ausländische Hochschule Mediziner in Deutschland aus. Nach Ansicht Jörg Weidenhammers, des Leiters der Asklepios Kliniken, ist die Zusammenarbeit ein Gewinn für alle Beteiligten. Die Budapester Semmelweis-Universität werde zwar nach wie vor viele ihrer Studenten nach dem vierten Semester vorzeitig nach Deutschland abwandern sehen, müsse diese jedoch nicht an fremde Hochschulen verlieren.

Im Gegenzug profitierten die Asklepios Kliniken von den neuen Möglichkeiten der Personalgewinnung. „Wir steuern in Deutschland weiterhin auf eine Minderversorgung im ärztlichen Bereich hin“, sagt Asklepios-Manager Weidenhammer. „Wenn man eigene Leute selbst ausbildet und diese genau kennt, kann man auch frühzeitig auf deren Karriereplanung Einfluss nehmen und sie langfristig binden.“

Weidenhammer schätzt die hervorragende Ausbildung der Studenten in Ungarn. Ein weiterer Vorteil der Kooperation mit der Semmelweis-Universität bestehe darin, dass die Auswahl der Studienanwärter dort nicht nur nach der Abiturnote, sondern in erster Linie unter dem Aspekt der individuellen Eignung und der Studierfähigkeit der Bewerber getroffen werde. „Wir können deshalb mit fähigen und hoch motivierten Studenten rechnen“, sagt der Asklepios-Manager. Eine zusätzliche Motivation dürften für die akademischen Heimkehrer auch die vergleichsweise hohen Studiengebühren sein – 7.200 Euro kostet die Ausbildung in Hamburg pro Semester.CLAAS RELOTIUS