Die Rede des Ritters

Bei der Berliner Medienwoche wirbt BBC-Chef Mark Thompson für Online-Aktivitäten der Öffentlich-Rechtlichen. Doch er ärgert ARD und ZDF auch

AUS BERLIN STEFFEN GRIMBERG

Der weiße Ritter trägt einen dunklen Anzug mit lilaschwarzgrauer Krawatte: Mark Thompson, Director General der BBC, ist nach Berlin gekommen und soll hier seinen deutschen Freunden bei ZDF und ARD in ihren medienpolitischen Auseinandersetzungen unter die Arme greifen.

Der Zeitpunkt ist nicht ungeschickt: Schließlich gibt es am Mittwoch noch mal eine Anhörung der Bundesländer zum Thema neue Spielregeln für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im digitalen Zeitalter – Sie wissen schon, die Nummer mit der Schreckensvokabel „12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag“. Und so wie bei der BBC, bei der die Onlineaktivitäten die dritte Säule neben klassischem Fernsehen und Radio darstellen, würden auch die deutschen Öffentlich-Rechtlichen gern leben: Die BBC hat laut der Royal Charta, ihrem Grundgesetz, ganz offiziell die Aufgabe, „Digital Britain“ mit aufzubauen. Und dafür darf und muss sie im Onlinebereich sogar die Speerspitze der Bewegung sein, so Thompson.

Doch hier ist nicht Großbritannien, sondern Börlin, Germany – der neue Staatsvertrag soll ARD und ZDF online klar beschränken. Und auch der BBC-Chef bekommt noch vor seiner Rede bei der Berliner Medienwoche den Unterschied zu spüren: „Mit der berühmten deutschen Gründlichkeit hat hier jemand aufgeräumt und mein Redemanuskript weggenommen“, meldet sich Thompson amüsiert vom Rednerpult. Zum Glück findet es sich schnell wieder, und dann bekommen ARD und ZDF, was sie hören wollen: ein klares Plädoyer für den „Public Service“-Gedanken – und eine klare Absage an alle, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausschließlich als ungeliebten Mitspieler im sich heftig verändernden Medienmarkt sehen.

Natürlich seien die Bedenken privater Sender oder der Verlage „legitim und ernst zu nehmen“, so Thompson. Doch sei eine Multi-Plattform-Strategie – also eine Kombination von klassischen Rundfunk- und Onlineangeboten „der einzige Weg, heute noch dem öffentlich-rechtlichen Auftrag gerecht zu werden“. Schließlich wollten die Zuschauer heute „Nachrichten zu jeder Zeit, jeden Tag“ abrufen können und nicht auf Sendezeiten festgelegt sein. Da gelte es nun eine „intelligente Balance zu schaffen zwischen den Interessen der anderen Wettbewerber“ und dem öffentlich-rechtlichen Auftrag. „Unsere Regeln stoppen die BBC, etwas zu tun, was negativ für den Markt und den Wettbewerb wäre.“ Doch würden BBC-Aktivitäten wie der iPlayer, vergleichbar mit den Mediatheken von ARD und ZDF, auch positive Effekte im Markt haben: „Weil sich mehr und mehr Menschen für dieses Angebot interessieren, ist auch die Nachfrage nach DSL-Anschlüssen stark gestiegen“, so Thompson.

Was ARD und ZDF, deren IFA-Ständen der BBC-Chef dann auch noch eine Stippvisite abstattet, dann nicht mehr so gerne hören, hatte Thompson zuvor im kleinen Kreis gesagt: Dass sich die BBC mit neuen Aktivitäten einer unabhängigen Marktanalyse der Regulierungsbehörde Ofcom stellen muss, findet Thompson ganz in Ordnung. Überhaupt hätten die neuen BBC-Regularien für die BBC, die seit Anfang 2007 gelten, „für mehr Offenheit, mehr öffentliche Debatte“ gesorgt – und „dafür, dass wir der Politik, aber auch der Öffentlichkeit und den Wettbewerbern viel deutlicher erklären müssen, was wir konkret vorhaben, dies auch belegen und uns hinterher der unabhängigen Überprüfung stellen“. Und seinen deutschen Intendanten-KollegInnen wie der Politik schreibt der weiße Ritter ins Stammbuch, dass „es wenig Sinn macht, sich aus dem britischen Modell die Rosinen herauszupicken“. Gehört haben das leider die Wenigsten: Bei Thompsons Rede waren kaum andere Rundfunkgewaltige oder Medienpolitiker im Auditorium.