: Der Rebell in der Qualmpartei
Fast die gesamte FDP kämpft gegen Rauchverbote. Nur ein schwäbischer Ortsvorsitzender will den Qualm vertreiben. Er sagt, die FDP habe weniger Rauch- als AKW-Gegner. Zu denen gehört er auch
VON GEORG LÖWISCH
Reinhard Siekemeier muss einiges hinunterschlucken. Seine Parteifreunde kämpfen für die Freiheit der Raucher. Siekemeier sagt sich oft, dass er ja wegen des Steuerprogramms in die FDP gegangen ist. Aber nun rufen die Parteifreunde besonders laut, der Staat dürfe die Bürger nicht bevormunden. Raucherkneipen müsse es geben, verlangt die FDP und macht Druck, wo sie mitregiert. „Ärgerlich“, sagt Siekemeier. „Es stört mich.“
Siekemeier ist 51 Jahre alt und Diplomkaufmann. Er raucht nicht. Doch er leitet den FDP-Ortsverband in Böblingen bei Stuttgart, sitzt im Kreisvorstand, fährt zu Parteitagen. Er engagiert sich in einer Partei, die für genau das am heftigsten kämpft, was ihn am heftigsten ärgert: Qualm.
Siekemeier mochte den Rauch nie. „Es hat mich schon in der Schule gestört.“ Es gab damals Plakate von einer Krankenkasse, die gegen das Rauchen anging: „Ich küsse keinen Aschenbecher.“ Siekemeier fand das ziemlich gut. Später, während des Studiums, trat er dem Aktionskreis Stuttgarter Nichtraucher bei.
Dagegen verstand sich die FDP immer mit dem Tabak. Sie kassierte Spenden von Zigarettenherstellern, und FDP-Politiker besuchten gern Empfänge der Konzerne in der Hauptstadt. Aber bei anderen Parteien war das auch so. Erst als 2006 eine neue Diskussion über den Nichtraucherschutz einsetzte, wurden die Qualmgegner bei CDU, CSU und SPD stärker. Grüne und Linke waren gleich ganz anti Tabak. Übrig blieb die FDP.
Etwa zu dieser Zeit sprach Siekemeier die Sache im Kreisvorstand an. „Mach mal halblang“, sagte ein Parteifreund. Jemand redete von „Freiheit“, es fiel das Wort „Toleranz“. Übrig blieb Siekemeier.
Die FDP freute sich an dem neuen Alleinstellungsmerkmal, das so schön ins Konzept passte. „Die anderen Parteien antworten mit immer neuen Verboten und Paragrafen“, rief der Vorsitzende Guido Westerwelle im April 2007. „Ich möchte nicht, dass wir eine DDR light bekommen.“
„Die Kernenergiegegner sind in den Gremien zahlenmäßig stärker als die Nichtraucherschützer“, stellt Siekemeier fest. Es klingt nicht bitter, eher humorvoll. Auch die Atomenergie mag er nicht.
Merkwürdig ist, dass die FDP als Ärztepartei gilt, wo doch viele Mediziner und auch die Ärztekammer strikt gegen das Rauchen sind. Aber der Fraktionschef in Niedersachsen, der gerade die Wiedereinführung der Raucherkneipen mitbeschlossen hat, ist auch Dr. med. Der Fraktionschef in Baden-Württemberg, ein Zahnarzt, hat sogar die Koalitionsfrage gestellt wegen der Raucherei in Gaststätten.
Der geübteste FDP-Kämpfer gegen Rauchverbote ist der Bundestagsabgeordnete Detlef Parr: „Hysterie“, „Super-Nanny“, „durchregulierter Staat“ – Parr hat das drauf. „Aufklärung ist die beste Prävention“, sagt er. „Wenn ich Herrn Parr reden höre …“, fängt Siekemeier an. Er sagt den Satz lieber nicht zu Ende.
Siekemeier hat bei Landesparteitagen schon zweimal Anträge gestellt, die Rauchverbote in der gesamten Gastronomie verlangen. Die Gesundheit sei das höchste Gut. „Ich frage Sie: Haben Angestellte in der Gastronomie nicht denselben Anspruch auf schadstofffreie Luft wie Mitarbeiter von BASF?“ Er sprach von Krankheitskosten und Frühinvalidität, verwies auf die Daimler AG, die 2007 alle Räume rauchfrei gemacht habe. Die FDP sei eine Wirtschaftspartei und der Wirtschaft helfe es, wenn der Zigarettenkonsum zurückgehe.
Das war im Januar, und der Antrag ging unter. Doch hat noch jemand unterschrieben: Stefanie Bermanseder aus Sindelfingen. Die Frau sitzt immerhin im Bundesvorstand der FDP. Bleibt man in Siekemeiers Bild, ist das fast, als wäre jemand im Grünen-Vorstand für Atomkraft. Beim Rauchen sei Überzeugungsarbeit nötig, sagt Bermanseder: „Wir sind noch in den Startlöchern.“
Reinhard Siekemeier fragt sich, ob die FDP-Wähler derselben Meinung sind wie ihre Funktionäre. Im Februar hat er sich die Wahlergebnisse in Hamburg angesehen. Die Parteifreunde dort hatten auf ein Thema gesetzt: das Rauchverbot. „Freie Wahl für Gäste und Wirte““, riefen sie. Am Wahlabend blieb der gelbe Balken bei 4,8 Prozent hängen. Siekemeier sagt: „Da hatte ich nicht so viel Mitleid.“