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Archiv-Artikel

Neue Scheibe, alte Leier

Im größten CD-Werk Europas geht es auf und ab. Investoren kommen, Beschäftigte gehen. 30 Millionen Euro flossen in das Unternehmen. Was bleibt, ist der Verdacht auf Subventionsbetrug

Insolvenz trotz Millionenumsätzen

1997 sind die ersten CDs für Musik, Spiele und Filme in Dassow vom Band gelaufen. Für die 4.000-Seelen-Gemeinde und die gesamte Region Nordwest-Mecklenburg wurde das Unternehmen damit zum wichtigsten Arbeitgeber. Als 2002 eine DVD-Fabrik hinzu gebaut wurde, stieg die Zahl der Beschäftigten auf mehr als 1.000. Im Jahr 2004 wurden mehr als 500 Millionen CDs und DVDs angefertigt. Das Hamburger Mutterunternehmen ODS avancierte dadurch zum größten CD-Produzenten und drittstärksten DVD-Hersteller auf dem europäischen Markt. UG

Von UTA GENSICHEN

Vor wenigen Tagen flatterte der ungewöhnliche Strafantrag eines aufgebrachten Mecklenburgers auf den Tisch des Schweriner Oberstaatsanwalts Hans-Christian Pick. Darin wird Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) sowie zwei weiteren Ministern der vergangenen rot-roten Landesregierung Subventionsbetrug vorgeworfen. Sie hätten wider besseren Wissen Subventionen an das insolvente CD-Werk in Dassow gezahlt.

43,5 Millionen Euro Fördergeld hatte das Land für den Ausbau des 1997 entstandenen Werks bewilligt, später Europas größte Produktionsstätte für CDs. Bevor es jedoch zur vollständigen Auszahlung der Subventionen kam, geriet das Dassower Unternehmen ins Strudeln.

Die Anzeichen dafür waren deutlich zu erkennen. Bereits im Frühsommer 2004 lehnte die Sparkasse Mecklenburg-Nordwest Investitionen wegen einer „bisher unbefriedigenden Geschäftsentwicklung“ ab. Insider munkelten sogar, das vom Hamburger Unternehmen ODS geführte Werk könne sich seine Dumpingpreise nur aufgrund der öffentlichen Subventionen leisten.

Im Frühjahr 2006 spürten Steuerfahndung und Zoll dem Verdacht des Steuer- und Subventionsbetrugs nach. Trotzdem pumpte das Wirtschaftsministerium weiter Fördergelder in das Prestigeobjekt: insgesamt 30 Millionen Euro.

Erst im Oktober 2007 wurde der Hahn endgültig zugedreht: Da hatte ODS bereits Insolvenz für das Werk angemeldet. Wochenlang zitterten die 1.100 Beschäftigten um ihre Arbeitsplätze, oft demonstrierten sie gegen die angedrohten Kündigungen. Mit dem CD-Werk stand schließlich die gesamte Wirtschaft der Region Dassow auf dem Spiel. Trotzdem, über 1.000 Mitarbeiter verloren ihre Jobs, das Werk wechselte den Besitzer. Und: Gegen drei Manager von ODS wurde Anklage wegen Subventionsbetrugs erhoben. Ende August eine neue Schreckensnachricht: Die neuen Inhaber, die dänische Gruppe Dicentia, meldeten ebenfalls Insolvenz an.

Eilig zog der dänische Mutterkonzern diese am Donnerstag zurück und präsentierte einen neuen Geschäftsplan. Dieser sieht ein Ende der DVD-Produktion vor, um sich fortan auf das CD-Geschäft zu konzentrieren. Auch die Herstellung der „Eco-Disc“, einer recyclebaren CD, soll eingestellt werden. Nach Angaben der Schweriner Volkszeitung wurde zudem der Manager entlassen, der das zweite Insolvenzverfahren des Werks eingeleitet hatte.

Was die Strafanzeige gegen den noch wenige Tage amtierenden Regierungschef Ringstorff betrifft, tut die Landesregierung locker: „Wir nehmen diesen Vorgang lediglich zur Kenntnis“, sagt ein Regierungssprecher. Auch die Schweriner Staatsanwaltschaft ist unaufgeregt: „Diese Anzeige stützt sich ausschließlich auf Zeitungsartikel“, sagt Oberstaatsanwalt Pick zur taz. Aus diesen ergebe sich kein ernstzunehmender Tatverdacht gegen die Polit-Granden.