: Von einem, der auszog, Bäume zu pflanzen
„Bäume sind cool“, findet Ilyas Bublis. Der ehemalige Animateur designt heute T-Shirts. Und er hat sich entschlossen, mit dem Geld aus ihrem Verkauf dabei zu helfen, das von Sturm und Motte stark dezimierte Stadtgrün wieder aufzuforsten. Aber irgendwie fühlt er sich manchmal sehr allein gelassen
von JAN ROSENKRANZ
Er war mit dem Flugzeug aus Bali gekommen und er hatte den Spirit. Die Bäume trugen ihr erstes zartes Grün, doch Ilyas Bublis ahnte, dass sie Hilfe brauchen würden. Auf Bali hatte er bei Bauern gelebt, hatte meditiert und gespürt, er müsse mehr im Einklang mit der Natur leben. „Diesen Spirit wollte ich weitergeben – diese Harmonie, dieses Leuchten, diese Farben“, sagt er.
Ilyas Bublis liebt Bäume. So sehr, dass er alles dafür tun will, dass es wieder mehr werden in Berlin. So innig, dass er sich sogar verschuldet hat, um sein Projekt namens „Gaia“ in Gang zu setzen. Gaia heißt „Mutter Erde“, und die liegt ihm am Herzen. Und weil wir alle immer nur von Gaia nehmen, erwuchs in Ilyas der dringende Wunsch, Gaia endlich etwas zurückzugeben: Bäume. Denn „Bäume sind cool“ – so steht es auf den Hemden, die Ilyas verkauft, verkaufen will, um einen Haufen Geld zu verdienen, Geld, das er braucht, um Bäume zu kaufen, mit denen er die Stadt begrünen will.
Das ist die Idee: Keine Umweltorganisation, „bei der die Hälfte des Geldes wegen der hohen Verwaltungskosten versickert“, sondern eine kleine Firma mit eigenem Label und einer Kollektion aus T-Shirts und Longshirts, ökologisch produziert, höchste Qualität, schlichtes Design – und alles zum Wohle der Bäume.
Ilyas Bublis ist 37, Berliner – türkische Mutter, deutscher Vater – einst Chefanimateur, Kleinunternehmer, Maroniverkäufer, Modedesigner, Umweltschützer und, na ja, ein bisschen auch Spinner. „Ich kann nicht anders. Wenn ich eine Idee habe, dann muss ich das erst mal probieren“, sagt Ilyas. Er rutscht unruhig herum auf dem Sessel in seiner kleinen Charlottenburger Wohnung und wedelt beim Reden mit den Armen durch die Räucherstäbchen-Luft. Im Hintergrund erklingt sehr beruhigende Musik.
Viel konnte er Gaia noch nicht zurückgeben. Elf Bäume hat Ilyas erst gepflanzt. Es liegt nicht an den Hemden, die sind cool, aber bisher hat er kaum einen Cent an ihnen verdient. Also hat er alle Bäume selbst bezahlt. Er oder seine Freunde. Umweltorganisationen sind abhängig von Spenden und Firmen vom Umsatz. Das ist das Problem. „Bisher haben wir hier mal 10, dort mal 20 Shirts verkauft. Es kommt einfach zu wenig Geld rein“, klagt Ilyas.
Deshalb hat er alle Berliner Unternehmen mit über 200 Mitarbeitern angeschrieben. Plan B: Merchandising. Die Firmen sollen ihre Werbehemden nicht mehr billig für 2 Euro aus Bangladesch beziehen, sondern aus ökologischer Produktion von Ilyas. Und könnten damit werben, die Umwelt zu unterstützen. Was die Shirts kosten, nämlich 39 Euro pro Stück, hat Illyas lieber nicht in den Brief geschrieben. „Man muss ja erst mal sehen, ob es überhaupt Interesse gibt.“ Offensichtlich nicht. Es hat niemand geantwortet.
„Geld, Geld, Geld. Mann, die Umwelt ist kaputt, wir müssen langsam wach werden“, sagt Ilyas und rüttelt eine unsichtbare Person. Er weiß es doch aus eigener Erfahrung. Auch er musste erst wachgerüttelt werden, auch er hat sich zu lange statt um Gaia nur um Geld gesorgt. Zwölf Wassersportboote hatte er an der türkischen Riviera, eines mit 200 PS für Paragliding, mehrere Jetskier, alles im Verleih. Action, Fun und gutes Wetter.
Bis er sich eines Tages fragte: „Mann, was mache ich hier eigentlich?“, und feststellte: „Ich mache jede Menge Dreck. Am Ende geht die Natur, geht Mutter Gaia drauf.“ Da hat er alles stillgelegt. Das war vor elf Jahren. Die Boote stehen noch immer bei seinen Eltern im Garten und gammeln. Er will sie nicht verkaufen, weil dann ein anderer den Quatsch weitermacht. Mann, das Bewusstsein, es hat sich nun mal verändert. Kein Spaß mehr auf Kosten der Natur, keine Boote mehr und auch kein Fleisch, sondern Spirit. Er hat sich verändert. Aber so viele wollen das immer noch nicht begreifen. Das macht es nicht einfacher, zu helfen.
„Man darf ja nicht annehmen, dass man in Deutschland einfach so einen Baum pflanzen darf. Da muss man vorher zu vier Ämtern“, erzählt Ilyas aufgeregt und winkt ab. Allein die Bezirksämter Mitte-Tiergarten und Charlottenburg-Wilmersdorf haben auf seine Anfrage, wo denn Bäume fehlen, überhaupt reagiert. Als hätte es keinen Sturm in Berlin gegeben, der 7.000 Bäume knickte und 12.700 zum Teil so schwer beschädigte, dass sie noch gefällt werden müssen. Als gäbe es keine Miniermotte, die tausende Kastanien verenden lässt. Als gäbe es keine finanzschwachen Bezirke, die auch ohne Sturm und Motte selbst die planmäßige Baumpflanzung kaum bewältigen können. „Es ist sehr schwer, aber ich will mich nicht beschweren. Man kennt uns einfach nicht“, sagt Ilyas.
Der Promifaktor könnte helfen, auch Gaia bekannter zu machen, hat er sich gedacht. Also haben Ilyas und seine Freunde Anfang Juli alle möglichen Prominenten angeschrieben und sie gebeten, Baumpaten zu werden: Thomas Gottschalk, Iris Berben, Udo Walz und so. Am 17. Juli haben sie dann endlich ihren ersten Baum gepflanzt, eine Magnolie, 2 Meter 50, im Tiergarten, im Beisein von Patrick Beisinger, dem Kapitän des Wasserballteams Spandau 04. Thomas Gottschalk kam nicht und auch keine Presse.
Im Oktober hat Ilyas dann wieder Berliner Firmen angeschrieben, diesmal sogar 350, und nachgefragt, ob sie nicht wenigstens Baumpaten werden wollen. Sie kaufen den Baum, Gaia organisiert den Platz und das Drumherum. Drei Firmen haben nachgefragt, was das denn koste. Eine Pappel gäbe es schon ab 150 Euro. Sie haben sich nie wieder gemeldet. Also wieder keine Bäume.
„Wie brauchen noch mehr Unterstützung. Wie soll ich die Energie, meine Liebe weitergeben? Diese wunderschöne Kollektion, die Bäume …“, sagt Ilyas, und seine Stimme klingt hoch, als müsste er gleich weinen. Oder Amok laufen. Manchmal fühlt er sich eben doch sehr allein gelassen. Seine Freunde halten zwar noch zu ihm, trotz aller Rückschläge. Aber er allein muss den Spirit halten. Und der Spirit hält ihn. Hält ihn gefangen in baumreichen Träumen.
Eines Morgens ist Ilyas aufgewacht und hatte diese Zahl im Kopf: 4.362. – 4.362, die Zahl ließ ihn nicht mehr in Ruhe. 4.362 Berliner kommen in den Tiergarten, um einen Stamm zu umarmen und zu rufen „Ich liebe Bäume“. Wetten, dass …? Er hat die Idee als Saalwette an Thomas Gottschalk geschickt. Wieder Gottschalk, wieder keine Reaktion.
Ein anderes Mal ist er aufgewacht und hatte die Idee mit der Baumparade. Eine Parade zu Ehren der Bäume. Nix Techno, voll Umwelt. Das könnte er organisieren. Klar Mann, schließlich war er früher Chef-Animateur in einem türkischen 5-Sterne-Hotel. Er kann die Leute motivieren. Nur aufgeben darf er nicht. „Ich bin Surfer“, sagt Ilyas, „ich brauche die Welle, aber ich kann warten.“