: Gefährdet: die gesamte soziale Infrastruktur
Weil der hoch verschuldete Bezirk Marzahn-Hellersdorf etwa doppelt so viel Geld für seine „freiwilligen sozialen Leistungen“ ausgegeben hat wie geplant, hat Finanzsenator Sarrazin nun die Kontos der Kommune sperren lassen
Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) macht Ernst: Er hat dem Bezirk Marzahn-Hellersdorf die Konten gesperrt, auf denen Geld für die so genannten freiwilligen sozialen Leistungen der Kommune lagerten. Die „gesamte soziale Infrastruktur“ sei davon betroffen, klagt die stellvertretende Bezirksbürgermeisterin Manuela Schmidt (parteilos, für die PDS). Die „kommunale Daseinsvorsorge“ etwa in der Kinder- und Jugendhilfe könne nun nicht mehr zur Verfügung gestellt werden.
Der Grund für die Sperrung der Konten: Der Bezirk hatte für die „freiwilligen sozialen Leistungen“ im vergangenen Jahr etwa 2 Millionen Euro mehr ausgegeben, als im Haushaltsplan vorgesehen war: statt rund 2,3 Millionen ungefähr 4,3 Millionen Euro. Nun müssen alle Zahlungen an freie Träger von Sozialarbeit in der Finanzverwaltung genehmigt werden.
Wie Manuela Schmidt unterstrich, handelt es sich bei den „freiwilligen sozialen Leistungen“ jedoch nicht wirklich um freiwillige Leistungen des Bezirks – vielmehr bestehe ein Anspruch der Nutznießer auf diese Dienstleistungen, etwa auch bei Sozialhilfe, bei der Umwelt- und Frauenarbeit. Nach der Kontosperrung könne man nun viele Projekte nur noch schließen, und zwar „an Stellen, wo es wehtut“. Ohne diese Angebote bestehe die Gefahr, dass zwar heute Geld gespart werde, die Folgekosten aber am Ende höher seien als die heutigen Einsparungen, unterstreicht Schmidt.
Marzahn-Hellersdorf hat rund 30 Millionen Euro Schulden – das ist der höchste Schuldenstand unter den zwölf Bezirken der Haupstadt. Dies liege unter anderem daran, dass der Bezirk als junge, gerade mal rund 15 Jahre alte Kommune überdurchschnittlich viele Jugendliche bis 18 Jahre habe, für die es Freizeit- und Berufsbildungsangebote geben müsse, erklärte Manuela Schmidt. Die Träger dieser Einrichtungen erhielten nun erst einmal keine Zuwendungsbescheide mehr. Ehrenamtlich sei das aber nicht zu schaffen: „Wir als Bezirk brauchen die Träger.“
Bis Februar will der Bezirk nach Angaben der Vizebürgermeisterin nun ein im Dezember schon einmal vorgelegtes Sanierungskonzept überarbeiten, mit dem der Schuldenabbau angepackt werden soll. Am Montag kommender Woche ist ein Gespräch zwischen Bezirksbürgermeister Uwe Klett (PDS) und Finanz-Staatssekretär Frank Bielka zur Finanzmisere vorgesehen. Vielleicht darf der Bezirk danach ja wieder Geld ausgeben.
PHILIPP GESSLER