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Archiv-Artikel

Praller Stoff für Lehrertüten

Die Landeszentrale für Politische Bildung ist zurzeit führungslos. Opposition argwöhnt Ausbluten, die Behörde dementiert. Die Aufklärungsarbeit der Einrichtung geht derweil weiter

von PETER AHRENS

LehrerInnen wären ohne sie aufgeschmissen. Wer bei der Landeszentrale für politische Bildung an den Großen Bleichen 23 vorbeischaut, trifft sie fast immer – die PädagogInnen mit der Plastiktüte in der Hand, die sie sich mit kostenlosem Informationsmaterial über den Nationalsozialismus oder die Hamburgische Landesverfassung vollstopfen. Seit die Schulen vom Senat verschärft zum Sparen verdonnert wurden, „schicken sie klassenweise Schüler zu uns“, hat Helga Kutz-Bauer, die frisch in den Ruhestand gegangene Leiterin der Landeszentrale, festgestellt. Die Arbeit der Einrichtung muss nach Kutz-Bauers Ausscheiden zurzeit ohne Leitung weitergemacht werden.

Eine Arbeit, die weit mehr umfasst, als Broschüren für LehrerInnen bereitzustellen. Vor 18 Jahren, erinnert sich Kutz-Bauer, habe die Zentrale 2000 BesucherInnen im Jahr gehabt, heute sind es gut 35.000. Tendenz steigend. Die Zentrale veranstaltet Seminare, hat vorigen Herbst das Politische Theaterfestival betreut, macht Führungen und beantwortet Fragen zur politischen Kultur, zur Geschichte, dazu, wie man wählen geht. All dies geschieht mit offiziell 5,5 Stellen.

Die Schulbehörde, der die Landeszentrale durch den Rechtssenat angegliedert wurde, hat mehrfach auf die Bedeutung von politischer Bildung hingewiesen. Zumindest bei SPD und GAL traut man diesen Ehrenerklärungen allerdings nicht. Die Opposition argwöhnt, der Senat wolle die Bildungsarbeit ausbluten lassen. So ist die Stelle der stellvertretenden LeiterIn schon seit Monaten verwaist, nachdem der bisherige Amtsinhaber, Gerhard Fuchs, zum Bezirksamtschef in Wandsbek befördert wurde. Nach dem Abgang Kutz-Bauers ist Rita Bake, die sich bei der Landeszentrale vor allem um den Schwerpunkt Frauenpolitik kümmert, die einzig verbliebene wissenschaftliche Fachkraft.

Die grüne Fraktionsvorsitzende Christa Goetsch, selbst Mitglied im Beirat der Landeszentrale, sieht die Einrichtung daher „zu einer Pseudo-Hülse verkommen“. Allerdings war man an den Großen Bleichen auch schon zu rot-grünen Zeiten nie auf Rosen gebettet gewesen. Die Hamburger Landeszentrale ist eine der am schlechtesten ausgestatteten aller Bundesländer. So beschäftigt Bremen als vergleichbarer Stadtstaat 12 MitarbeiterInnen, also doppelt so viel wie Hamburg. Niedersachsen oder Baden-Württemberg haben gar Personalstärken von 50 beziehungsweise 80 zu bieten.

Kutz-Bauer hat direkte politische Einflussnahme des neuen Senats in ihrem letzten Leitungsjahr allerdings nicht erlebt: „Es hat uns kein Mensch in unser Programm hereingeredet.“ Die Austrocknung der politischen Bildungsarbeit geschehe denn auch eher über die fehlenden personellen Ressourcen. Die Bildungsbehörde hat die Stelle von Kutz-Bauer jetzt ausgeschrieben. Es werde zumindest auch künftig eine Leitung geben, versichert ein Sprecher von Bildungssenator Rudolf Lange (FDP). Auch der Etat von jährlich 500.000 Euro bleibe im neuen Jahr unangetastet.

Ob und wie viele Veröffentlichungen die Landeszentrale unter den erschwerten personellen Bedingungen künftig herausgeben kann, ist noch unsicher. Geradezu programmatisch wirkt da eine der Schriften, die unter der Federführung von Rita Bake im Vorjahr erschienen ist. Die Broschüre, die sich mit Zeitungsartikeln aus den Jahren 1933 und 1934 beschäftigt, trägt den Titel: „Wie wird es weitergehen?“

Infos im Internet unter www.politische-bildung.de und www.hamburg.de/Behoerden/Landeszentrale