namen und gesichter der fünf erdteile: heute asien

Der heute fast vergessene Sprachforscher, Wiener-Kaffeehaus-Bewohner und Journalist Adolf Josef Storfer lebte 1888 bis 1944. Neben der Pschoanalyse war die Etymologie Storfers Leidenschaft. Der Berliner Verlag Vorwerk 8 hat unlängst seine beiden Hauptwerke wieder ausgegraben: „Im Dickicht der Sprache“ und „Wörter und ihre Schicksale“. Die taz veröffentlicht daraus in Auszügen Storfers Studien zu jeweils einem der fünf Erdteile. Modern wirkt sein interkultureller Ansatz, wonach Sprache immer schon Vermischung, also Hybridität beinhaltet.

Das etymologische Gegenstück zu Europa wäre der Nachweis, daß der Name Asien ebenfalls semitischer Herkunft sei und die ursprüngliche Bedeutung Morgenland habe. Länderbezeichnungen mit der Bedeutung „Land des Sonnenaufgangs“ sind nicht selten. Wir nennen z. B. Anatolien (von griechisch anatole = Anfang) und Nippon oder Japan (aus chinesisch jih-pen = Sonnenursprung). Man denke auch an die Bezeichnungen Orient (lateinisch oriens sol = aufgehende Sonne, zu oriri = sich erheben), Levante (zu italienisch levare = sich erheben) und an den deutschen Ausdruck „Morgenland“.

Man hat denn auch Asia mit dem akkadischen (babylonischen) Worte açu = Osten in Verbindung gebracht, aber dies ist eine Hypothese neben anderen. Andere auf semitischen Ursprung abzielende Etymologien denken an hebräische Wurzeln, die dem Worte Asien die Bedeutung „Mittelland“ oder „Glanzland“ gäben.

Auf die Feststellung, daß als Asien ursprünglich nur ein Teil von Lydien bezeichnet wurde, legt Solmsen Gewicht. Die an der kleinasiatischen Küste wohnenden Ionier hätten die Bezeichnung dieses landeinwärts liegenden lydischen Gebietes dann auf das Binnenland überhaupt ausgedehnt.

Auf Asioi (Arshi), den einheimischen Namen der Tocharer in Ostturkestan, führt Sieg den Namen Asien zurück. Der mythologische Personenname Asia – für die Tochter des Prometheus nach Herodot, für eine Tochter des Okeanos und der Tethys nach Hesiod – ist wohl erst aus dem Erdteilnamen entwickelt.

Aus: A. J. Storfer: „Im Dickicht der Sprache“. Verlag Vorwerk 8, Berlin 2000. (Erstausgabe 1937; gekürzt)

FOTO: EBERHARD GRAMES/BILDERBERG