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Archiv-Artikel

Ein Kick für Puristen

Fußball ist eine ernste Angelegenheit beim 25. Hallenturnier der Berliner Amateurteams. Fans notieren fließig Ergebnisse und ein Präsident tritt ab

von ANDREAS RÜTTENAUER

Die Sporthalle Charlottenburg in der Sömmeringstraße ist einer jener typischen Westberliner Inselbauten, von denen man sich vorstellen kann, dass sie in den 70er-Jahren einmal topmodern gewirkt haben. In eben jener Sichtbetonepoche fand auch das erste Hallenfußballturnier der Berliner Oberligamannschaften statt, eine Veranstaltung, die am Wochenende zum 25. Mal ausgetragen worden ist. Der Wettbewerb hat ebenso viel Gilb angesetzt wie der Austragungsort, den man durch ein nikotinvernebeltes Foyer betritt. Die Werbeplanen der spärlichen Hauptsponsoren (Brauerei und Sportgeschäft) legen Zeugnis darüber ab, dass es sich beim Turnier um alles andere als ein Event handelt. Es geht um das sportliche Kräftemessen der besten Berliner Amateurfußballmannschaften. Hallenfußball pur – ohne jeden Schnickschnack.

Das ist nicht unbedingt jedermanns Sache. Nur die Art von Fußballverrückten, die an keinem Bezirkssportplatz vorbeigehen können, wenn dort gerade ein x-beliebiges Kreisklassespiel stattfindet, können sich für das Turnier wirklich begeistern. Viele davon gibt es wohl nicht mehr. Ein paar hundert meist ältere Herrschaften sitzen mit Programmheft und Stift auf den Tribünen und notieren eifrig die Ergebnisse der insgesamt 36 Spiele. Schöne Aktionen auf dem Spielfeld honorieren sie mit wohlwollenden Kopfnicken, so dass es eigentlich nie richtig laut wird in der Halle. Nur einmal regen sie sich geräuschvoll auf. Als sich die schnöselig wirkenden Amateure von Hertha BSC mit einem blamablen 2:7 gegen den SV Lichtenberg 47 aus dem Turnier verabschieden, schreien sie „Pfui“ und „Buh“. Doch die Aufregung legt sich schnell wieder. Ein Schluck Kaffee aus der Thermoskanne, ein Bissen von der mitgebrachten Stulle sowie das engagierte Spiel der Reinickendorfer Füchse gegen Tennis Borussia beruhigen die Fußballpuristen. Wer anständig und mit Einsatz spielt, wird mit höflichem Applaus verabschiedet. Die meisten Teams holen sich diesen Beifall ab, denn sie spielen so, als ginge es um weit mehr als die 2.000 Euro Siegprämie.

Auch Toni Petrina, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Regional- und Oberligavereine und Organisator der Veranstaltung, lobt das Engagement der Spieler. „Das ist noch reiner Amateursport“, schwärmt er. Auch wenn die Zuschauerzahlen weiter sinken, an ein Ende des Turniers denkt er, der sich von der Bestückung des Buffets im VIP-Raum über die Spielansetzungen bis hin zur Sicherheit in der Halle um alles zu kümmern hat, noch lange nicht. Nach einer Niederlage des BFC Türkiyemspor gegen den SV Yesilyurt, bei dem es zwei umstrittene Herausstellungen gegen die Verlierer gegeben hatte, muss Petrina, den Vorsitzenden von Türkiyemspor besänftigen. Denn Kadir Aslan droht, die Mannschaft aus dem Turnier zu nehmen, weil er sie ungerecht behandelt sieht. Doch seine Spieler machen einfach weiter. So muss sich Petrina nicht mehr um den schnaubenden Aslan kümmern. Der Miniskandal ist schnell abgehakt.

Auf den Tribünen hat man ohnedies nichts davon mitbekommen, wenngleich die Entscheidungen von Schiedsrichter Aik Wainhold im betreffenden Spiel mit Kopfschütteln registriert worden waren. Längst läuft eine andere Begegnung. Der Berliner AK und der VfB Lichterfelde trennen sich 2:2. Ordnungsgemäß wird das Ergebnis notiert. Die Zuschauer sind ebenso wenig zum Spaß in der Halle wie der immer noch wutschnaubende Aslan, der inzwischen seinen Rücktritt verkündet hat, weil ihn die Mannschaft im Stich gelassen habe. Fußball ist eine ernste Angelegenheit, so wie früher, als es das Wort Event noch nicht gab.