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Archiv-Artikel

OSZE nimmt in Minsk einen neuen Anlauf

Weißrusslands Regierung erlaubt Wiedereröffnung der OSZE-Mission. Mandat ist deutlich eingeschränkt

BERLIN taz ■ Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) können demnächst wieder einen Flieger nach Minsk besteigen. Ende vergangener Woche unterzeichnete die weißrussische Regierung mit der OSZE eine Vereinbarung, die eine Wiedereröffnung des Büros der Organisation in der weißrussischen Hauptstadt vorsieht. Nach Angaben des Sprechers der OSZE, Richard Murphy, soll die neue Mission die weißrussische Regierung dabei unterstützen, den Aufbau staatlicher Institutionen sowie eines Rechststaates voranzubringen und – in Übereinstimmung mit den Prinzipien der OSZE – die Beziehungen zur Zivilgesellschaft zu entwickeln. Hilfestellung ist zudem in den Bereichen Wirtschaft und Umweltpolitik vorgesehen. Die Ergebnisse der Bemühungen sollen regelmäßig dokumentiert und bewertet werden.

Die enge Anbindung der OSZE an die Aktivitäten der Regierung in Minsk sowie die Tatsache, dass anstatt von einer „Überwachungs- und Beratergruppe“ (advisory/monitoring group) nur noch von einem „Büro“ (office) die Rede ist, kommen nicht von ungefähr. 1998 hatte die OSZE-Mission in Minsk ihre Tätigkeit aufgenommen. Der anfängliche Arbeitsauftrag, unter Wahrung der Menschenrechte den Aufbau demokratischer Institutionen zu forcieren und zwischen Regierung und Opposition zu vermitteln, wurde ein Jahr später durch folgende Bedingungen als Grundlage einer weiteren Zusammenarbeit konkretisiert: eine Überarbeitung der Wahlgesetzgebung, der gleichberechtigte Zugang der Opposition zu den staatlichen Medien sowie die Schaffung eines „Klimas des Vertrauens“. Doch nichts davon wurde umgesetzt. Weder die Parlamentswahlen vom Herbst 2000 noch die Präsidentenwahlen im Jahr darauf erfüllten die Kriterien „frei und fair“.

Entsprechend harsch waren die Reaktionen der Gegenseite: Die verbalen Ausfälle des weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko gegen Hans-Georg Wieck, damaliger Chef der OSZE-Mission und mehrmals mit Ausweisung bedroht, gipfelten in der Beschuldigung, Wieck würde durch die Schulungen unabhängiger einheimischer Wahlbeobachter bewaffnete Kämpfer ausbilden. Nach Wiecks freiwilligem Abgang im Dezember 2001 wurde dem designierten Nachfolger, dem früheren deutschen Botschafter in der Ukraine, Eberhard Heyken, die Einreise verweigert. Nach und nach mussten 2002 auch die anderen OSZE-Mitarbeiter das ungastliche Terrain räumen, da ihre Visa nicht mehr verlängert wurden. Der Letzte machte im Oktober das Licht aus.

Wieck sieht in der jetzigen Vereinbarung einen prinzipiell richtigen Kompromiss, der Chancen der Entwicklung bietet. Dabei bestehe jedoch die Gefahr, dass die neue Mission nicht mehr unmittelbar mit Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeiten könne. „Doch“, so Wieck, „zumindest die kritische Beobachtung der Entwicklung der Zivilgesellschaft bleibt möglich.“ BARBARA OERTEL