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Archiv-Artikel

Stille Nacht im Schatten der Sphinx

Erstmals ist Weihnachten in Ägypten, das die koptische Kirche heute feiert, staatlicher Feiertag – also auch für die Muslime. Schließlich steht Jesu Geburt ja auch im Koran. Mit Ostern würde die Interkulturalität am Nil allerdings Probleme bekommen

Weihnachtsbäume, Weihnachtsmänner halten Einzug in Wohnzimmer

aus Kairo KARIM EL-GAWHARY

Weihnachten ist nicht gerade das Erste, das einem einfällt, wenn man an Ägypten denkt. Und doch begehen die Ägypter am heutigen 7. Januar das orthodoxe koptische Weihnachtsfest erstmals als offiziellen Feiertag. Um ein Zeichen zu setzen, dass auch die christliche Minderheit ein integraler Bestandteil der Bevölkerung ist, hatte der ägyptische Präsident und Muslim Hosni Mubarak letzten Monat überraschend das koptische Weihnachten zum arbeitsfreien Tag erklärt. Bisher galt: Christen müssen am 7. Januar freibekommen, während das für die Muslime ein ganz normaler Arbeitstag war.

Ägypten definiert sich in seiner Verfassung als islamischer Staat. Dabei wird gerne vergessen, dass schätzungsweise jeder zehnte Ägypter dem christlichen Glauben angehört. Die meisten von ihnen gehören zur alten koptischen Kirche mit einem eigenen Oberhaupt, dem Papst von Alexandria, dessen heutiger Sitz allerdings in Kairo ist.

Das Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen ist nicht immer einfach. Ägyptische Christen beschweren sich häufig, vom Fernsehen, Erziehungswesen oder auch von der offiziellen Geschichtsschreibung übergangen zu werden. Kein Wunder also, dass das neue Präsidialdekret in der koptischen Gemeinde rundum positiv aufgenommen wurde. Damit, so der koptische Papst Schenuda, sei das Weihnachtsfest für die Christen in Ägypten schöner geworden. Selbst koptische Organisationen in den USA, die den ägyptischen staatlichen Institutionen oft die Diskriminierung von Christen vorwerfen, schalteten ganzseitige Anzeigen in der ägyptischen Presse und lobten Mubaraks Schritt als „Symbol für die Gleichheit aller Bürger“. Koptische Bischöfe äußersten sich ebenfalls positiv. „Dass das ganze Land Weihnachten als Feiertag begeht, zeigt, dass die Kopten dazugehören“, erklärt Bischof Thomas gegenüber der taz. Kopten, so Bischof Thomas, hätten immer von den islamischen Feiertagen profitiert – nun könnten sie endlich auch ihren muslimischen Mitbürgern einen freien Tag bescheren.

Die schöne Aussicht auf einen zusätzlichen freien Tag ist wohl auch der Hauptgrund, warum der neue Feiertag auch unter der muslimischen Mehrheit fast durchweg positiv aufgenommen wurde, wenngleich viele von ihnen gerne auf die islamische Identität des Landes pochen. Nur bei der Geschäftswelt wird ein wenig gemurrt. „Dieses Land feiert ohnehin schon das halbe Jahr, wir brauchen nicht noch mehr Feiertage“, beschwert sich der christliche Bauunternehmer Mamdouh Habaschi halb im Spaß. Für den muslimischen Fabrikbesitzer Said Muhammad Aziz bringt die neue Regelung wenig Neues. Da ein Teil seiner Belegschaft aus Christen besteht, hatte er auch in den letzten Jahren seine Fabrik zu Weihnachten geschlossen, da er seine Maschinen nicht mit halber Kapazität laufen lassen wollte.

Das koptische Weihnachten, dessen Datum mit dem 7. Januar dem von den Orthodoxen gebräuchlichen Julianischen Kalender folgt, wird anders als das westliche Weihnachten eher ruhig begangen. Einkaufswahn und Weihnachtsstress sind den ägyptischen Christen eher fremd. Für sie ist Weihnachten immer noch eine spirituelle Angelegenheit, die sich in der Kirche abspielt. Zuvor kommt ein 40-tägiges Fasten, das mit einer vierstündigen Messe am Weihnachtsabend beendet wird. Danach treffen sich die Familien zum Essen.

Obligatorisch ist auch, den Kindern neue Kleidung zu schenken. In den letzten Jahren hat sich auch das koptische Weihnachten allerdings verändert, und westliche Importprodukte wie Weihnachtsbäume und Weihnachtsmänner haben in so manches koptische Wohnzimmer Einzug gehalten.

Viele Kopten hoffen jetzt, dass die ägyptische Regierung auch noch Ostern, das wichtigste Fest des Christentums, zum Feiertag erklären könnte. Das, so der koptische Bischof Thomas, sei aber eher unwahrscheinlich. Der Grund: Können sich die Muslime mit Feierlichkeiten der auch im Koran erwähnten Geburt Jesu anfreunden, der auch von ihnen als einer der Propheten angesehen wird, entspricht der Glaube an dessen Auferstehung nicht mehr dem muslimischen Selbstverständnis.

Andere Forderungen wären dem koptischen Bischof ohnehin wichtiger, beispielsweise, dass der Bau von Kirchen vereinfacht wird. Bis heute bedarf jeder christliche Sakralbau im Land am Nil der persönlichen Genehmigung des Präsidenten, während aus privaten Stiftungen an jeder Ecke unbürokratisch Moscheen errichtet werden. Außerdem hofft Bischoff Thomas, dass sich langfristig auch das Lehrmaterial an den Schulen verbessern könnte, in dem der christliche Teil des Landes, sei es in der Geschichte oder in der Gegenwart, bis heute gerne unterschlagen wird. Ägyptische Intellektuelle sprechen oft von den zahlreichen Identitäten des Landes: der islamischen, der arabischen, der afrikanischen, der pharaonischen, der mediterranen und eben auch der christlichen. Mit Mubaraks Entscheidung, Weihnachten zum Feiertag für alle zu machen, so die ägyptische Kolumnistin Amina Schafiq, „ist das Konzept der gemeinsamen ägyptischen Staatsangehörigkeit mit Leben erfüllt worden“.