: Neue Mitte heißt jetzt Mittelstand
SPD will der Wirtschaft helfen, indem sie besonders kleine und mittlere Betriebe fördert. „Wiesbadener Erklärung“ verabschiedet. SPD-Linke fordern in ihrem Konkurrenzpapier ein groß angelegtes Kredit- und Investitionsprogramm
von HANNES KOCH
Bei seiner zweitägigen Klausurtagung hat das Präsidum der SPD gestern eine „Wiesbadener Erklärung“ verabschiedet, um besonders die Situation von kleinen und mittleren Unternehmen zu verbessern. Zentraler Punkt des Plans ist nach Worten von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement eine „Mittelstandsoffensive“. „Im Laufe des nächsten Jahrzehnts wollen wir dahin kommen, was wir früher Vollbeschäftigung genannt haben“, sagte Clement.
Der Plan werde auch deshalb jetzt vorgestellt, um „Rückenwind für die Hessenwahl“ am 2. Februar zu entfachen, erläuterte Bundeskanzler Gerhard Schröder. Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums sagte, bei dem Aktionsprogramm handele es sich um die Zusammenfassung von bereits bekannten Maßnahmen.
Dazu gehört die Gründung einer öffentlichen Mittelstandsbank, die vor allem kleinen und mittleren Unternehmen unter die Arme greifen soll. Geplant sind eine Reihe von verwaltungstechnischen Vereinfachungen und Steuererleichterungen. So sollen Existenzgründer während der ersten vier Jahre nicht mehr Mitglied der Industrie- und Handelskammer sein müssen. Ihre Steuerbelastung soll auf ein Minium reduziert werden. Insgesamt, hieß es aus dem Wirtschaftsministerium, solle die Steuer- und Abgabenbelastung für Beschäftigte unter 40 Prozent des Bruttolohnes liegen, nicht, wie heute, darüber.
Ebenfalls bei der Klausurtagung wollen Vertreter des linken SPD-Flügels ein eigenes Konzept zur Förderung des Mittelstandes präsentieren, das Forderungen enthält, die weit über das Clement-Konzept hinausgehen. Der Autor des Linken-Konzepts, der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer, fordert gemeinsam mit KollegInnen wie Andrea Nahles und Ulrich Maurer ein groß angelegtes Investitions- und Kreditprogramm für den Mittelstand. Scheer & Co. wollen mit dem Programm die öffentliche Infrastruktur und die mittelständische Privatwirtschaft ökologisieren, um Jobs zu schaffen.
In den ersten Jahren wollen die SPD-Linken rund 70 Milliarden Euro mobilisieren, später rund 20 Milliarden jährlich. Sie schlagen vor, 50 Milliarden Euro aus den Geldreserven der Bundesbank zu entnehmen, die zur Stabilisierung des Eurokurses im Krisenfall vorgesehen sind. Dies sei sinnvoll, weil Deutschland 24,5 Prozent der Anteile an der Europäischen Zentralbank halte, aber 40 Prozent der Devisenreserven einbringe. Aus den überflüssigen Reserven in Höhe von 50 Milliarden Euro soll ein Kapitalstock für die neue Mittelstandsbank entstehen. Das Geld, so Scheer, würde unter anderem für „günstige Kredite deutlich unterhalb des Marktzinses“ verwendet.
Weitere 20 Milliarden Euro sollen aus der Ökosteuer, dem Entzug von Steuerbefreiungen für AKW und der Mineralölsteuerbefreiung für Raffinerien kommen. Dass die Ökosteuer heute in die Rentenkasse fließt, sei kein Problem, so Scheer.
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