: Kleiner Machtkampf unter Genossen
IG Metall in Baden-Württemberg entmachtet die eigenen Firmenvertreter, weil sie Entlassungen nicht zustimmten
LUDWIGSBURG taz ■ Ein seltener Vorgang: Die IG Metall in Baden-Württemberg hat zu Disziplinarmaßnahmen gegriffen – gegen eigene Mitglieder. In der Ludwigsburger Firma Mann + Hummel hat die Gewerkschaft drei ihrer Vertreter entmachtet. Sie können nun ihr Amt als Leiter des so genannten Vertrauenskörpers (siehe Kasten) nicht mehr ausüben und sind zudem von IG-Metall-Versammlungen ausgeschlossen.
„Mehr als Beitrag zahlen dürfen wir im Moment bei der IGM nicht“, sagt die 58-jährige Gisela Vomhof. Dabei gilt sie bei ihren Kollegen als vertrauenswürdige, auch gutgläubige Gewerkschafterin. Seit über 25 Jahren ist sie für die IG Metall aktiv; sie war schon Vertrauensfrau, Delegierte und Betriebsrätin. Betriebsrätin ist sie immer noch – aber ihr Handlungsspielraum ist stark eingeschränkt.
„Ein schwelender Konflikt“ hat zum Eklat geführt – da sind sich Vomhof und ihr Widersacher Konrad Ott einig. Er ist Ortsbevollvollmächtigter der IG Metall in Ludwigsburg und hat die gewerkschaftsinterne Entmachtung des Vertrauenskörpers vorangetrieben. Der Hintergrund des Streits: Seit 1990 hat die Filterfabrik Mann + Hummel 1.500 Arbeitsplätze eingespart. Nun sind erneut „mehrere hundert Jobs bedroht“, so Vomhof, die dies „eine Zumutung“ nennt.
Ott hingegen plädierte für Kompromisse, um „Schlimmeres zu verhindern“. Schließlich hatte die Betriebsleitung gedroht, den „Bereich Blech“ der Filterproduktion ganz zu schließen und ins Ausland zu verlagern. Ott war bereit, auch die Kürzung von Löhnen und Gehältern sowie Wochenend- und Nachtarbeit zu akzeptieren. Ohne den Vertrauenskörper einzubeziehen, verhandelte Ott direkt mit der Geschäftsführung von Mann + Hummel.
Dabei geht es der Firma gar nicht schlecht: Der größte Ludwigsburger Arbeitgeber – über 1.700 Beschäftigte vor Ort, fast 8.000 weltweit – produziert zum Beispiel Filter-Abdeckungen für das Luxusauto Maybach von Daimler oder die erste Kunststoffsaugrohranlage für Benzin-Direkteinspritzer.
Aus Protest gegen die Personalpolitik des Unternehmens organisierte der Vertrauenskörper eigenmächtig Warnstreiks. Ott sah seine Autorität untergraben und beantragte, Vomhof und die beiden weiteren Vertrauenskörper-Leiter zu entmachten: Sie seien „gewerkschaftsschädigend“. Sowohl der Landesverband als auch der Bundesvorstand der IG Metall stimmten zu. „Die kamen ja wohl aus einer sehr linken Ecke“, urteilt ein Stuttgarter Funktionär, während der Bundesvorstand in Frankfurt/Main freundlich, aber nichtssagend darauf verweist, dass es sich um einen regionalen Konflikt handle.
Die Gefeuerten werfen der IG Metall vor, dass sie bis zum Abschluss des Gewerkschaftsverfahrens keine Akteneinsicht hatten und noch nicht mal die Protokolle gegenlesen durften. Die Firmenleitung von Mann + Hummel jedenfalls hat nun keinen Widerstand im Betrieb zu fürchten. Zu den Querelen im Betrieb mögen weder die Pressestelle noch der Personalchef etwas sagen. GISELA SONNENBURG