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Gewalt gegen Gewalt

Die Attentate von Tel Aviv sind die schlimmsten seit langem. Solange ein Irakkrieg droht, zögert Israel mit harter Vergeltung

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Aus dem für Mitte Januar geplanten Londoner Kongress, bei dem die Palästinenser ihr neues Grundgesetz sowie den Premierminister vorstellen sollten, wird nichts. Israels Regierungschef Ariel Scharon verweigert der palästinensischen Delegation die Ausreise. Er reagiert damit auf den Doppelanschlag in Tel Aviv am Sonntagabend, bei dem 24 Menschen starben. Der Londoner Kongress war von den Briten initiiert worden. In einem Telefonat bat der britische Außenminister Jack Straw seinen israelischen Amtskollegen Benjamin Netanjahu, seine Entscheidung zu überdenken. „Wir werden den Terror nicht legitimieren“, lehnte Netanjahu ab, bei der palästinensischen Delegation handele es sich um „Puppen, die unter dem Deckmantel von Reformen“ agierten.

Innerhalb von nur drei Stunden verabschiedete das israelische Kabinett gestern einen Maßnahmenkatalog, darunter das Verbot, die für Donnerstag in Ramallah geplante Sitzung des PLO-Zentralrats abzuhalten, bei dem die Verfassung ratifiziert werden sollte. In der Nacht bombardierten zudem israelische Kampfhubschrauber Metallfabriken im Gaza-Streifen. Bodentruppen drangen in Rafach ein, in Bethlehem wurden 17 Palästinenser verhaftet.

Arafats Ausweisung gefordert

Die Anschläge in Tel Aviv sind die schlimmsten seit vergangenem März, als in einem Hotel in Netanya 29 Menschen getötet wurden (siehe Kasten). Das damalige Attentat war offizieller Grund für die Regierung, erneut in die palästinensischen Gebiete einzumarschieren. Aus dem rechten Flügel der Regierung kam auch diesmal die Forderung nach schärferem Vorgehen. Netanjahu etwa dachte laut über die Ausweisung von Palästinenserchef Jassir Arafat nach. Ungeachtet der sofortigen Verurteilung der Terroranschläge von Seiten der palästinensischen Autonomiebehörde machte er Arafat, der „nichts gegen den Terror unternimmt“, für die Anschläge verantwortlich. Ein Landesverweis jedoch würde weltweiten Protest vor allem von arabischer Seite provozieren und die Pläne von US-Präsident George W. Bush durchkreuzen. Solange ein Militärschlag gegen Bagdad möglich ist, sind Scharon die Hände gebunden.

Sowohl der Islamische Dschihad als auch die Fatah-nahen Al-Aksa-Märtyrer bekannten sich zu dem Doppelanschlag vom Sonntag. Gegen 18.30 Uhr ereigneten sich binnen einer Minute die beiden Explosionen am Zentralen Busbahnhof in Tel Aviv. Einer der Attentäter zündete den Sprengstoff unmittelbar an einer Haltestelle, die zweite Bombe explodierte vor einem Fastfood-Restaurant. Unter den Toten und Verletzten sind auch ausländische Arbeiter. Aus Sorge vor Abschiebung flohen einige von ihnen später aus dem Krankenhaus, obschon das Innenministerium zugesagt hatte, von einer Verfolgung abzusehen.

Die Anschläge stehen offenbar in Zusammenhang mit den für kommende Woche in Ägypten geplanten Beratungen, zu denen die Regierung Vertreter aller palästinensischen Bewegungen eingeladen hatte, um eine Einstellung der Gewalt gegen Israel zu debattieren. Dem Vernehmen nach soll bei Vorbereitungsgesprächen von allen Organisationen Bereitschaft zum Waffenstillstand signalisiert worden sein. Bedingung sei jedoch, dass Israel Exekutionen und Razzien einstellt sowie die Straßenblockaden im Westjordanland und im Gaza-Streifen aufhebt.

PLO-Führung ohne Einfluss

Zweifellos kommt die neuerliche Gewalt für Jassir Arafat denkbar ungünstig. Eine gelungene Konferenz nicht nur in Kairo, sondern vor allem in London, wo die Palästinenser einen von ihm akzeptierten Premierminister vorstellen sollten, hätte ihn – wenngleich in Vertretung – auf die internationale Bühne zurückgebracht. Die palästinensische Führung versucht seit Wochen, die Gewalt vor allem im israelischen Kernland zu reduzieren. Zwar war es über fünf Wochen lang ruhig, doch die Armee berichtet von zahlreichen vereitelten Terroranschlägen. Dass Arafat keinen Einfluss mehr auf die militanten Widerstandsgruppen hat, will offenbar nur die israelische Regierung nicht einsehen.

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