Verseucht vom kleinen „a“

Asbest im Steglitzer Kreisel. Heute berät der Bauausschuss über Zukunft des Hochhauses. Bezirk will Hochhaus sanieren, Grüne fordern Nutzwertanalyse von Reparatur über Abriss bis hin zum Neubau

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Hat sich jemand im CDU-regierten Rathaus Steglitz-Zehlendorf einen Scherz – mit ernstem Hintergrund – erlaubt? Da klebt in fast allen Büroräumen des 24-geschossigen Hochhauses am Ende der Schlossstraße das kleine fette a der Gefangenenhilfsorganisation „amnesty international“. An jedem Raumpfeiler pappt das Logo, womöglich mehrere hundert Mal. Es hängt an Decken und Wänden und sogar auf Brüstungen. Das Rathaus ist verseucht von amnesty-Aufklebern. Und niemand, selbst Bürgermeister Herbert Weber (CDU), reißt sie ab. Warum nur?

Den durchaus ernsten Grund dafür erfahren konnten gestern die Fraktionsmitglieder des Bauausschusses im Abgeordnetenhaus, die Weber zu einem Rundgang durch den „Steglitzer Kreisel“ eingeladen hatte: Das kleine fette „a“ steht für „Vorsicht. Enthält Asbest.“ Wo sich der Aufkleber befindet, sollte man nicht mit dem Kugelschreiber oder anderen spitzen Gegenständen die Wand aufbohren, weil sonst die gesundheitsgefährdenden Partikel austreten könnten, mahnte Weber beim Rundgang. Man hielt sich daran – und hielt auch Distanz zu aufgerissenen Schaupfeilern, wo die giftige Masse zu sehen war.

Dass der „Kreisel“ von Asbest belastet ist, ist kein Geheimnis. Seit 1990 seien rund 2,4 Millionen Euro in Untersuchungen, Sicherungen und teure Reparaturen geflossen, erinnerte Uwe Stäglin, Baustadtrat des Bezirks. Jetzt, da die marode Fassade aus Stahl und Glas immer weiter „durchfeuchtet und sich damit Asbestfasern in der Konstruktion lösen“, müsse eine „dauerhafte Lösung“ für den Kreisel gefunden werden. Wie diese Lösung aussehen könnte – ob Schließung, Verkauf, Abriss, Teil- oder Komplettsanierung oder gar ein Neubau –, berät heute der Bauausschuss des Landtags.

Für den Bürgermeister und seinen Baustadtrat sind die Alternativen indessen begrenzt: Das Gebäude müsse ihrer Meinung nach erhalten und Stockwerk um Stockwerk saniert werden. Im Innern könnte die Nutzfläche erhöht und damit Raum für externe Mitarbeiter geschaffen werden. Einen Rathausneubau an anderer Stelle, der womöglich billiger käme, lehnen beide ab. Bezahlen soll die rund 50 Millionen Euro teure Asbestsanierung das Land, das bereits beim Bau des 125 Meter hohen „Skandalhochhauses“ in den 70er-Jahren tief in die Tasche greifen musste. Damals war nach Korruptionsverdacht ein Bausenator zurückgetreten, der Turm verkam zur Bauruine und wurde erst 1980, fast doppelt so teuer wie geplant, fertig gestellt.

Die Mitglieder der Fraktionen hingegen wollen im Ausschuss erst einmal alle Alternativen prüfen, bevor man bereit ist, Geld locker zu machen. Nach Ansicht von Fritz Niedergesäß, baupolitischer Sprecher der CDU, kommt eine „Komplettsanierung“ auf einen Streich nicht in Frage.

Auch SPD-Bauobmann Bernd Schimmler legt sich erst einmal nicht fest. Zwar sei die Sanierung dringlich, dennoch müsse untersucht werden, ob Gebäudereserven vorhanden seien, die Mitarbeiter unterzubringen. Klar hingegen ist die Haltung der Grünen. Nach Aussage von Claudia Hämmerling hat der Steglitzer Kreisel „dieselben Asbestprobleme wie der Palast der Republik. Deshalb ist eine Komplettsanierung überfällig.“ Da es hierbei um sehr viel Geld gehe, müsse ein „Stufenplan zur Sanierung und Konsolidierung“ erarbeitet werden, in dem per „Nutzwertanalyse“ die Kosten für einen Neubau über den Verkauf und eine Anmietung bis hin zur Energie einsparenden Reparatur oder dem möglichen Abriss „gegenzurechnen sind“. Denn, so Hämmerling: „Einen Kreisel als Geldvernichtungsmaschine darf es nicht mehr geben.“