: Zipi Livni rückt näher an ihr Ziel heran
Die israelische Außenministerin hat knapp die Wahl zum Vorsitz der Regierungspartei Kadima gewonnen. Nun stehen ihr schwierige Koalitionsverhandlungen bevor. Streit könnte es über den künftigen Status der Stadt Jerusalem geben
AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL
Außenministerin Zipi Livni ist neue Chefin der Kadima. Mit einem deutlich kleineren Vorsprung, als die Umfragen es ihr versprachen, schlug sie in der Nacht zum Donnerstag ihren Mitstreiter Verkehrsminister Schaul Mofas mit ganzen 431 Stimmen. An alle drei Gegenkandidaten richtete die glückliche Wahlsiegerin den Appell, sich „gemeinsam auf die eine Mission, eine stabile Regierung zu bilden“ zu konzentrieren.
Der scheidende Premierminister Ehud Olmert will am kommenden Sonntag seinen Rücktritt ankündigen. Erst dann kann Staatspräsident Schimon Peres Livni mit der Bildung einer neuen Koalition beauftragen. Sollte es ihr nicht gelingen, in der vorgesehenen Frist von 42 Tagen eine Regierung zu bilden, könnte Peres einen anderen Abgeordneten beauftragen oder dem Parlamentspräsidenten das Scheitern der Bemühungen erklären. Dann müssten innerhalb von drei Monaten Neuwahlen abgehalten werden. Livni wäre nach Golda Meir die erste Frau an der Regierungsspitze Israels.
Bis zur nächsten Woche will Livni aber nicht warten, um Gespräche aufzunehmen mit den Fraktionen, die für einen Einzug ins Kabinett in Frage kommen. Schon am Donnerstag kam sie mit ihren parteiinternen Gegnern und den bisherigen Koalitionspartnern zusammen. Die Arbeitspartei wird dabeibleiben. Schließlich hat Kadima diese Woche die Bedingung Ehud Baraks erfüllt, Vorstandswahlen abzuhalten. Barak drängte wiederholt darauf, den von Korruptionsaffären bedrängten Olmert aus dem Amt zu katapultieren, sollte er nicht freiwillig gehen.
Der Chef der Arbeitspartei wird versuchen, seine jüngere Kollegin unter seine Fittiche zu nehmen. Beide müssen in der Öffentlichkeit Punkte sammeln, wenn sie in eineinhalb Jahren gegeneinander und vor allem gegen Likud-Chef Benjamin Netanjahu antreten wollen.
Mit von der Partie bleiben die Minister der Rentnerpartei, die wissen, dass sie nie wieder so viel Einfluss haben werden, wie in der gegenwärtigen Koalition. Interessant werden die Verhandlungen mit der orientalisch-religiösen Schass, die die Fortsetzung der gemeinsamen Regierung zunächst an die Erhöhung sozialer Zuwendungen für kinderreiche Familien knüpfte. Parteichef Eli Ischai signalisierte unterdessen Flexibilität. Livni müsse „Lösungen für die Armut liefern“, meinte er. Dabei „interessiert uns nicht, ob man von Kindergeld, Sozialhilfe oder Familienbeihilfe spricht“. Schwierig dürfte es werden, sobald die Zukunft Jerusalems Thema bei den Friedensverhandlungen mit den Palästinensern wird.
Beim Likud, ihrer früheren politischen Heimat, braucht Livni gar nicht erst anzuklopfen. Ginge es nach Netanjahu, würden umgehend Neuwahlen stattfinden. Der konservative Hardliner genießt in der Öffentlichkeit einen Vorsprung, der allerdings schrumpft.
Schon im Vorfeld der parteiinternen Abstimmung kündigte Livni an, auch die linke Partei Meretz zu Gesprächen einzuladen. Sollte es dazu kommen, hätte sie vermutlich ein leichtes Spiel. Und die linken Friedensaktivisten von einst würden gern wieder in der ersten Liga mitspielen. Ob es indes tatsächlich zu Verhandlungen mit der Meretz kommt, muss Livni zunächst mit ihren eigenen Parteifreunden absprechen. Wahrscheinlich ist, dass Mofas Protest einlegen und möglicherweise gar mit der Abspaltung seines Lagers drohen wird.
Mit der Rückendeckung der Meretz, auch wenn sie nicht in die Koalition einzieht, und den arabischen Abgeordneten könnte Livni notfalls auch eine Minderheitsregierung über die verbleibenden eineinhalb Jahre bis zum turnusmäßig nächsten Wahltermin retten.