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Archiv-Artikel

Der Theater-Kapitän

Hannes Grabau ist Intendant, Bühnenbauer, Schiffsjunge, Schriftsteller, Übersetzer, Schauspieler und vor allem eins: Geschichtenerzähler. Und das macht er am liebsten für Kinder in seinem Theaterschiff

Seit gut dreißig Jahren wird auf der Batavia Theater gemacht, seit 15 Jahren mit dem Dauerbrenner Pippi Langstrumpf

VON DANIELA KREBS

Wenn er von seinen Aufführungen im Bauch des Schiffes erzählt, lächelt Hannes Grabau. „Für Kinder Theater spielen ist eines der schönsten Dinge des Lebens“, sagt er. In seinem Gesicht erkennt man neben Augen und Mund die Falten eines Mannes, der gerne lacht.

Hannes Grabau ist der Kapitän der Batavia. Vor 34 Jahren legte er im kleinen Wedeler Fluss Aue an, und im Bauch des Schiffes entstand ein Theater mit roten Samtsesseln, alten Messingstrahlern an den Wänden und einer richtigen Bühne. Seit gut dreißig Jahren wird hier Theater gemacht, seit 15 Jahre mit dem Dauerbrenner Pippi Langstrumpf. Vor der Batavia an Land ist im Sommer ein kleines Häuschen aufgebaut. Es ist orange und blau angemalt und hat eine grüne Tür. Auf ihr steht in gelber Schrift „Pippi“.

Grabau spielt in dem Stück Pippis Vater und den starken Adolf. Meist auch noch eine dritte Rolle. Pippi selbst wird von wechselnden Mädchen gespielt. Die Besetzungen in den Kindertheaterstücken rekrutiert Grabau über eines seiner neueren Projekte, einer Theaterschule für Kinder. Passend zu dem Theaterschiff heißt diese „Seepferdchen“.

An Bord hängen überall an den Wänden Fotos von Aufführungen und Poster von Theaterstücken. Er zeigt auf ein gezeichnetes Bild, auf dem ein Mädchen mit roten Haaren und einem gelben Kleid zu sehen ist. Daneben steht „Für Pippis Papa“ in leicht verwackelten Großbuchstaben. „Die Kinder lieben mich“, sagt Grabau und schaut versonnen auf die Zeichnungen seiner kleinen Fans. „Es macht so viel Spaß mit den Kindern. Alles Bedrückende fällt von einem ab“, sagt Grabau. Der 68-Jährige hat selbst fünf Kinder und umgibt sich auch in höherem Alter gerne mit ihnen.

Sein Lieblingsplatz an Bord der Batavia ist das Vorderdeck. Dort steht ein großer Holztisch und eine Sitzbank. Von hier habe man den besten Ausblick auf die Wedeler Marsch, sagt Grabau. Der Blick ist nach links und rechts vom Schilf eingerahmt, in Bugrichtung verläuft der kleine Bach, der durch die Gezeiten nur zweimal am Tag Wasser führt. Der Kapitän sitzt hier gerne und unterhält sich mit Freunden, Gästen und Künstlern. Er trägt ein schwarzes Jackett und ein weiß-rot gestreiftes Hemd. Dazu eine große, dunkle Sonnenbrille, die sich von seinen weißen Haaren und dem hellen Gesicht abheben. Die blauen Augen schimmern durch das getönte Glas der Brille.

Nach seiner Schulzeit machte Grabau eine Ausbildung als Raumgestalter. Mit 19 Jahren heuerte er als Schiffsjunge auf einem Kahn an und bereiste „beinahe die ganze Welt“. Er träumte von den schönen Mädchen in fernen Ländern und den Eisbären. Später arbeitete er an der Staatsoper in Hamburg, doch die Sehnsucht nach dem Wasser ließ ihn nie los, und er kaufte die Batavia.

Zunächst war das Schiff für ihn ein Hausboot, so hatte er beides, das Land und das Wasser. In der Kajüte steht noch heute ein Bett, das er manchmal nutzt, wenn er zu lange an Bord geblieben ist. An der Wand hängt ein Bild der Batavia. Es entstand kurz nachdem er das über hundert Jahre alte Schiff vom Altonaer Ruderclub gekauft hat. „Damals war sie noch blau“, sagt Grabau. Inzwischen hat er sie rot gestrichen, schon zum wiederholten Mal, denn so ein Schiff macht viel Arbeit.

Zunächst lag die Batavia noch nicht in Wedel, sondern auf einem Seitenarm der Elbe, wo sie zu einer Anlaufstelle für trinkfreudige Seefahrer wurde. Ein Gastwirt habe ihn angezeigt, weil er keine Konzession für einen Barbetrieb hatte, erzählt Grabau. Aber nur eine Bar wollte er nicht. Es sei einfach so gewesen, dass die Leute an Bord gekommen seien und er nichts dagegen unternommen habe.

Die Wasserschutzpolizei erklärte die Batavia schließlich zu einer „Seenotrettungsstation“. Alkohol durfte es geben, weil er zum Aufpäppeln von gestrandeten Seglern genutzt werden konnte. „Das war eine Satire ohne Ende“, sagt Grabau. Er muss lachen, als er an diese Geschichte denkt.

Die Idee, ein Theaterschiff zu gründen kam ihm spontan morgens, da habe er immer die besten Ideen. Und als die Idee geboren war, wurde sie auch gleich umgesetzt. „Ich bin ein Macher und kein Schnacker“, sagt er. „Alle Leute wussten schon, dass ich immer gern Verrücktes mache.“

Was damals verrückt klang, ist immer noch ein gut funktionierendes Projekt: Schiff, Bar und Theater in einem. Und für den Kapitän Hannes Grabau ist die Batavia immer noch das Wichtigste, was es gibt.

Theaterschiff Batavia, Brooksdamm, Wedel. Nächste Aufführung: Pippi Langstrumpf, Sonntag, 21. September, 16 Uhr. Kartenvorbestellung ☎ 04103–85 836