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Archiv-Artikel

Der Richter, der nie richtet

Kritik an der Personalpolitik von Justizsenator Roger Kusch nimmt zu. Der versorgte seinen Pressesprecher mit einem Richterposten. Mitglieder des Richterwahlausschusses sprechen von „Missbrauch“, SPD und GAL fordern Aufklärung

von ELKE SPANNER

Schon im Fall Soyka (taz berichtete mehrfach) war deutlich geworden, dass Justizsenator Roger Kusch (CDU) ihm nahe stehende JuristInnen gern zu RichterInnen nominiert, um ihre Zukunft abzusichern. Seit gestern ein zweiter solcher Fall bekannt geworden ist, regt sich immer mehr Unmut auch im Richterwahlausschuss – dem Gremium, das die Entscheidung über die Vergabe der begehrten Stellen zu treffen hat. „Der Senator betreibt Missbrauch“, so ein Mitglied des Ausschusses gestern zur taz. „Richter sollen Richter werden und nicht Pressesprecher.“

Anlass für diesen Unmut bildet der Fall von Kusch‘s Sprecher Kai Nitschke. Der Jurist wurde bei seiner Einstellung in der Justizbehörde voriges Jahr auch zum Richter auf Probe ernannt – obwohl er zuvor stets als Journalist gearbeitet hatte und auch mit dem Sprecherposten keine juristische, sondern eine politische Aufgabe übernommen hat. Für Kusch ist das ein normaler Vorgang, weil „Justizsprecher traditionell Richter sind“.

Das ist aber nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Denn zwar waren Nitschkes unmittelbare Vorgängerinnen Simone Käfer und Annette Pflaum tatsächlich Richterinnen – aber schon lange, ehe sie auf den Sprecherinnenposten abgeordnet wurden. Sie sind inzwischen zum Gericht zurückgekehrt. Dieser Weg steht nun Nitschke offen. Er hat Anspruch auf Weiterbeschäftigung in der Behörde oder bei Gericht, sollte sein Senator eines Tages seinen Sessel räumen müssen.

Das Mitglied des Richterwahlausschusses sagt, ihm sei damals nicht klar gewesen, dass der Bewerber um das Richteramt Kuschs Sprecher werden sollte. „Das hätte man nicht akzeptieren dürfen.“ Auch ein anderes Mitglied findet die damalige Entscheidung des Gremiums falsch. „Es ist offensichtlich, dass Nitschke einen Versorgungsposten bekommen hat.“

Gerhard Schaberg, stellvertretender Vorsitzender des Hamburgischen Richtervereines, hält sich mit einer Stellungnahme höflich zurück: „Aus Respekt vor der Verantwortung und der Kompetenz des Richterwahlausschusses hat der Hamburgische Richterverein eine Richterwahl noch nie kommentiert und wird das auch weder jetzt noch in Zukunft tun.“ Laut Schaberg ist es zwar durchaus „selten, dass ein Bewerber in ein Richteramt gewählt wird und nach der Wahl das Amt nicht unmittelbar ausübt“. Dennoch sei das in der Vergangenheit „immer wieder vorgekommen“.

Für Viviane Spethmann, CDU-Abgeordnete und ebenfalls Mitglied im Richterwahlausschuss, ist die Aufregung heiße Luft. Der Fall Nitschke sei „unproblematisch“, da es üblich sei, dass sich auch Richter „in der Justizbehörde bewähren“. Grundsätzlich sei es sogar erwünscht, dass Richter vielfältige andere Erfahrungen mitbringen. Und laut Spethmann wäre es ein Gewinn, wenn Nitschke mit seiner Medienerfahrung „eines Tages beispielsweise in einer Pressekammer des Zivilgerichtes tätig ist“.