arbeitslosenzahlen : Gespaltenes Bewusstsein
Seit kurzem kennen wir Wolfgang Clement als „Superminister“ für Arbeit und Wirtschaft. Doch war er auch schon Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, Landeswirtschaftsminister und Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei. All diese Jobs brachten es mit sich, dass Clement direkt und indirekt für mehr als 300.000 Beschäftigte politisch verantwortlich war und somit über umfangreiche Erfahrungen als Arbeitgeber verfügt. Erfahrungen, die er nun ignoriert, wenn er die neuen Arbeitsmarktzahlen interpretiert und Vollbeschäftigung erwartet.
Kommentarvon ULRIKE HERRMANN
Zehn Jahre lang verhielt sich Clement als öffentlicher Arbeitgeber wie die meisten Chefs – er versuchte die Effizienz seines Ladens zu steigern. Weniger Personal sollte noch bessere Resultate erzielen. Im öffentlichen Dienst nennt sich dies „Verwaltungsmodernisierung“. Die Zahlen sind durchaus eindrucksvoll: Seit 1990 baute das Land Nordrhein-Westfalen etwa zehn Prozent seiner Vollzeitstellen ab.
Dies ist keineswegs rekordverdächtig; auch die Gemeinden und der Bund haben ähnlich reduziert. Der Chef im öffentlichen Dienst will das Minimax-Prinzip verwirklichen: mehr Leistung mit weniger Personal. Außerdem sollen die Beschäftigten möglichst wenig verdienen, wie die zähen Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst zeigen.
Politiker, auch die von der SPD, können also ganz normale Arbeitgeber sein. Aber ihren reichen Erfahrungsschatz mit dem Personalabbau vergessen sie sofort, wenn sie Arbeitsminister werden. Dann träumen sie von Vollbeschäftigung. Clement prognostiziert, dass es bis zum Jahre 2010 keine Arbeitslosen mehr gebe. Von aktuell 4,2 Millionen ohne Job lässt er sich nicht irritieren. Er hofft auf die Hartz-Reformen.
Doch die „Revolution am Arbeitsmarkt“ wird nicht stattfinden. Es fehlen die Revolutionäre: Die Firmen weigern sich, Arbeitsplätze zu schaffen. So interessieren sie sich zum Beispiel nicht für den „Job-Floater“, der als Hartz’ kreativste Erfindung galt. Die Unternehmen wollen einfach keinen verbilligten Kredit, wenn sie dafür Arbeitslose einstellen müssen. Stattdessen setzen sie auf Effizienz, auf Konkurrenzfähigkeit. Sie werden investieren, aber vor allem in verbesserte Technologie. Und dieser Produktivitätsfortschritt wird weitere Arbeitsplätze kosten – wie schon bisher.
Was man daraus lernen kann? Auch private Arbeitgeber sind normale Arbeitgeber, nicht nur die Chefs im öffentlichen Dienst.
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