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Archiv-Artikel

Rot macht aggressiv

Tapete oder Kacheln, Struktur oder Rauhfaser, weiß oder gewischt - Wandgestaltung ist ein heikles Thema. Ein kontroverses zudem: Kommt sie oder kommt sie nicht zurück, die Blümchentapete?von LENA GORELIK

Eine kahle weiße Wand starrt mich an. Ich starre zurück. Sie bleibt weiß, klinisch, ungemütlich. Vier weiße Wände in jedem Zimmer. Es muss was geschehen.

Wandgestaltung ist ein heikles Thema. Schließlich muss man sich mit den Wänden für ein paar Jahre anfreunden, will man nicht ständig neu renovieren. Tapete, Streichen, Kacheln und in welcher Farbe das alles? Rot ist eine schöne Farbe, steht für Wärme und Leidenschaft, kann aber laut Farbenpsychologie auch schnell in Zorn und Aggression wechseln. Grau ist neutral und sachlich, aber gleichzeitig auch trostlos, und Trostlosigkeit will man nicht in der Wohnung haben.

Blümchentapete. Früher war es einfach: Blümchentapete in jedem Haus, rosa, himmelblau, hellgrün. Tulpen, Rosen, manchmal Sonnenblumen. Aber: „Mustertapete hat an Marktinteresse verloren. Seit ungefähr zehn Jahren kommt für die meisten nur noch Rauhfaser- und Strukturtapete in Frage“, sagt Wandgestalter Sven Detlefsen.

Also Rauhfaser. Das Deutsche Tapeten-Institut hat in einer im Frühjahr 2001 durchgeführten Studie herausgefunden, dass in drei Vierteln aller Haushalte Rauhfaser an den Wänden klebt. Aber nur knapp 50 Prozent von diesen mögen reinlich-weiße Wände, die anderen greifen noch einmal zum Farbpinsel.

Streichen klingt gut, aber welche Farbe? „In Mode sind gerade helle, freundliche Farben wie Gelb, Orange und Ocker“, sagt Martin Krampfer, Naturfarben-Verteiber. Und die Wischtechnik sei in. Er macht Seminare zum Thema Wandgestaltung, in denen er Schablonenzeichnen, Holzimitationen, Wisch-, Putz- und Stupftechniken lehrt.

Vielleicht eine ökologisch gestaltete Wand? Der Malermeister Sven Detlefsen arbeitet mit Naturfarben. Seine Kunden sind meistens umweltbewusste Menschen oder Allergiker, die auf bestimmte Stoffe in synthetischen Farben reagieren. Der Malermeister hat einen antroposophischen Ansatz: Eine mit synthetischen Farben gestrichene Wand ist für ihn eine tote Wand. „Der Kunde sucht zuerst einen Farbton aus, und dann gibt es ein Eldorado an Möglichkeiten: Stupfen, spachteln, kratzen, lasieren, wischen.“ Der Markt für ökologisch gestaltete Wände wachse, sagen sowohl Detlefsen als auch Krampfer.

Wandbemalung. Ein Landschaftsbild oder ein Porträt an der Wand ist auch eine Idee. Detlefsen erzählt von einer Kundin, die einen Nachthimmel an der Decke wollte: „Wir haben Glitzer an den blauen Hintergrund als Sterne festgemacht.“ Als „moderne Könige“ bezeichnet der Kunsthandwerker Thomas Haut Kunden, die bei ihm Wandbilder in Auftrag geben: „Die haben so viel Geld, dass sie es nach außen demonstrieren müssen.“ Meistens sitzen die modernen Könige seiner Erfahrung nach in den Chefetagen großer Unternehmen und wollen ihre Individualität an den Wänden wiederspiegeln. „Die großen Chefs wollen sich selbst dargestellt haben.“ Manchmal wünschten sie ein modernes Porträt von sich, „aber das ist schon altbacken“. Oft muss er auch mit Farben arbeiten, um die Macht der Führungspersönlichkeiten zu demonstrieren: „Rot setzt sich immer mehr durch, obwohl es eigentlich als aggressionsverstärkend gilt.“ Wer Kunden einwickeln wolle, nähme dagegen ein gemütliches Beige, Gelb oder Orange. “Hauptsache bunt“, sei in diesem Jahr angesagt, meint Haut. “Die Trendforscher sagen Grün und Braun voraus, aber das wird sich nicht durchsetzen.“ Die Wischtechnik bezeichnet er als überholt: „Ich sehe voraus. In zwei Jahren kommt die Mustertapete wieder in Mode.“

Die kahle weiße Wand starrt mich an. Es muss was geschehen. Vielleicht doch noch Blümchentapete?