: Im Schatten des Emo
Die Get Up Kids und Koufax trieben im Schlachthof die Überproduktion des Emocore voran
Manche Sachen kommen wahrscheinlich nie wirklich aus der Mode. Stromgitarren zum Beispiel. Und Songs, in denen jemand davon singt, wie ihm das Herz pocht beim Gedanken an einen geliebten Menschen, der vielleicht gerade fort ist, vielleicht für immer. Das hat dann nichts mehr mit Mode zu tun, sondern nur noch mit Emotion, kurz „Emo“, gleichzeitig Name für eine nicht exakt bestimmbare Musik, in der nicht wenige den Soundtrack ihres Lebens entdecken.
Ins “Genre“ gehören so unterschiedliche Bands wie At The Drive-In, Jimmy Eat World und die Get up Kids. Letztere überraschten unlängst mit „On A Wire“, einem Album, das ganz unverfroren bei den Klassikern borgt. Akustische Gitarren, von den Beatles beeinflusste Gesangssätze, die gänzliche Abkehr von „Core“, dem Wörtchen, das bisweilen noch hinter „Emo“ ein Schattendasein fristet und mit zunehmender Tendenz gänzliche verschwindet.
Am Donnerstagnachmittag spielten die Get Up Kids eine Show in einem Plattenladen in der City – unplugged. Und auch am Abend im Schlachthof klang vieles nach rustikalem amerikanischen Rock. Die üblichen Verdächtigen finden sowas natürlich ganz langweilig, weil die alten Platten wieder mal viel besser sind. Die nicht gerade berstend volle Halle indes empfing Get Up Kids samt Vorband freundlich.
Im Vorprogramm spielten zunächst Koufax, wie die Get Up Kids unter den Fittichen des amerikanischen Independent-Labels Vagrant-Records, deren Vertrieb in Deutschland der Gigant Universal übernimmt. Auch bei Koufax war von „Core“ nichts zu hören. Und Rocker-Posen gab es ebenfalls keine. Dafür gediegene Pop-Songs mit starker, nicht zuletzt stimmlicher Affinität zu The Cure, von denen Koufax auch einen Song coverten.
So richtig Stimmung gab es aber erst bei den Get Up Kids, die neben neueren Songs – und übrigens ebenfalls einem von The Cure – auch ältere Hits anstimmten, bei denen der Mob mitsingen durfte. „It’s Like 1984“ kam es von der Bühne und die Menge setzt sich langsam in Bewegung – nachdem vor allem die ruhigeren neuen Songs eher in stiller Ergriffenheit begutachtet wurden.
Wahrscheinlich ist die Rückkehr zu den musikalischen Vorbildern der eigenen Adoleszenz ein durchaus fruchtbarer Ausweg in die Zukunft: Die Get Up Kids kommen aus dem mittleren Westen der USA, einer Region, die von Leuten wie Tom Petty und John Cougar Mellencamp nachhaltig infiziert und mystifiziert wurde.
Denn manche Dinge kommen – wie gesagt – nicht aus der Mode. „Emo“ wahrscheinlich schon, deutet man die mittlerweile kaum noch überschaubare Masse an Veröffentlichungen als die Überproduktion, die als Übersättigung unweigerlich in die Krise führt. Andreas Schnell