USA überlegen Klimawandel

Wichtige Senatoren bringen Gesetzentwurf ein, der den Treibhausgas-Ausstoß im Land nun doch senken soll – entgegen den Absichten der Bush-Regierung. Emissionshandel geplant. Industrie und Umweltverbände interessiert bis begeistert

aus Washington MICHAEL STRECK

Amerika ist immer wieder für eine Überraschung gut. Hatte man sich bereits damit abgefunden, dass die USA unter Präsident George W. Bush ungebremst klimaschädliche Emissionen in die Luft blasen und ihrem Ruf als weltweitem „Klimasünder Nummer eins“ auch weiter alle Ehre machen, gibt es plötzlich einen neuen Anlauf, den Ausstoß von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen zu begrenzen.

Zwei alte und möglicherweise neue Rivalen von Bush um den Chefsessel im Weißen Haus, der republikanische Senator John McCain aus Arizona und sein demokratischer Kollege Joseph Lieberman aus Connecticut, stellten Ende letzter Woche einen Gesetzentwurf vor, der allen US-Kraftwerken, Fabrikanlagen und Transportfirmen festgelegte Ziele zur Verringerung von Treibhausgasen vorschreibt. Diese Branchen sind für rund 85 Prozent aller Emissionen verantwortlich. Der Plan sieht vor, die Kohlendioxid-Emissionen im Jahre 2010 auf dem Niveau von 2000 einzufrieren und in einem nächsten Schritt 2016 auf das Niveau von 1990 zu senken. Er wurde ausgearbeitet mit Unterstützung von Umweltorganisationen und Industrieverbänden.

„Die USA sind für 25 Prozent aller weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Es ist Zeit für die US-Regierung, sich endlich diesem Problem zu stellen. Eine Debatte über gesetzlich vorgeschriebene Reduktionsziele wäre ein Signal politischer Führung“, sagte McCain, der auch Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses des Senats ist. Alle Appelle an die US-Wirtschaft, ihre klimaschädlichen Emissionen freiwillig zu senken, sind bislang verpufft. Seit 1990 stieg ihr Ausstoß um knapp 12 Prozent.

Als Anreiz für die Wirtschaft enthalten die McCain-Lieberman-Vorschläge ein Emissionshandelssystem. Hierin sollen Firmen, die ihre Einsparziele nicht erreichen, „Emissionsgutscheine“ von anderen Unternehmen erwerben können, die ihr Soll übererfüllt haben. Ein ähnliches System hatte sich in den USA in den 80er- und 90er-Jahren im Rahmen des „Clean Air Act“ bewährt, um den Ausstoß von Schwefeldioxid zu senken.

Der Entwurf ist ein direkter Angriff auf die Umweltpolitik des Weißen Hauses. Bush weigerte sich, dem Kioto-Protokoll beizutreten. Er hält nichts von staatlichen Vorschriften und hofft allein auf freiwillige Anstrengungen der Industrie. Der jetzt vorgeschlagene Einschnitt wäre zwar für US-Verhältnisse enorm, bliebe aber dennoch erheblich hinter den Kioto-Zielen zurück. Scharfer Gegenwind für den Gesetzentwurf von Seiten der Regierung ist daher programmiert. Der Vorsitzende des Umweltausschusses im US-Senat, der Republikaner James M. Inhofe, wartete denn auch mit dem alten Bush-Mantra auf, dass die Ursachen der Klimaerwärmung noch längst nicht bewiesen seien. Verfrühte wirtschaftsschädliche Maßnahmen seien daher abzulehnen.

Umweltverbände zeigten sich äußerst zufrieden. „Das ist ein richtig großes Ereignis“, sagte David Doninger vom Natural Resources Defense Council. Neben den meisten Demokraten unterstützen auch moderate Republikaner die Vorschläge. Es dürfte jedoch einem Wunder gleichen, wenn der republikanisch dominierte Kongress die vorgelegten Pläne beschließen sollte. Doch wer weiß, wie sich Bush, der Meister der politischen Taktik, im beginnenden Präsidentschaftswahlkampf noch wendet, um Demokraten den Wind aus den Segeln zu nehmen.