Eingebaute Vorfahrt nur für Autos

Student erhebt Verfassungsbeschwerde, weil Straßenverkehrsordnung Fußgänger und Radfahrer diskriminiere

HAMBURG taz ■ Ein Vorstandsmitglied des Vereins Autofrei Leben hat Verfassungsbeschwerde erhoben – gegen den Vorrang des Autos in der Straßenverkehrsordnung. Der Maschinenbaustudent Frank Markus Schmidt aus Frankfurt am Main moniert: Die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und auf Gleichheit vor dem Gesetz sowie der Verfassungsgrundsatz „Eigentum verpflichtet“ würden verletzt . Also will Schmidt die Hierarchie der Verkehrsmittel vom Autoreifen wieder auf die Füße stellen.

Denn die Straßenverkehrsordnung diskriminiere Fußgänger und Radfahrer. So müssten Radfahrer mit Bußgeldern rechnen, wenn sie auf der Straße fahren, weil ihnen die Radwege zu gefährlich sind. Und ganz grundsätzlich will Schmidt nicht einsehen, warum alle Straßen so gebaut sind, dass der Autoverkehr fließen kann, während Fußgänger sich an jeder Ecke über eine Kreuzung kämpfen müssen.

Im letzten Jahr starben etwa 7.000 Menschen im Straßenverkehr, 450.000 wurden verletzt – ein Beleg für Schmidt, wie sehr das Verfassungsrecht auf körperliche Unversehrtheit durch die Autos verletzt wird. Um eine solche Verfassungseinschränkung zu rechtfertigen, müsse der Bundestag zumindest ein Gesetz verabschieden, verlangt Schmidt. Denn das Atomgesetz enthalte schließlich auch einen entsprechenden Passus.

Für den Berliner Anwalt für Verkehrsrecht Karsten Sommer hört sich das „nicht so wahnsinnig erfolgversprechend an“. Denn der Staat schütze seine Bürger bereits vor dem Autoverkehr – etwa durch Lärmgrenzwerte, Geschwindigkeitsbegrenzungen und Zebrastreifen. Wenn die Verwaltungen dies nicht umsetzten, so ändere das „nichts daran, dass es ein gesetzgeberisches Konzept im Prinzip gibt“.

Gerd Lottsiepen, der Sprecher des Verkehrsclubs VCD, hält den Klageweg zwar für interessant. Er glaubt jedoch nicht, dass sich dadurch grundlegende Verbesserungen für Fußgänger und Radfahrer bewirken lassen. Der VCD arbeite stattdessen an einer neuen Straßenverkehrsordnung.

Erich Schöndorf, der als Staatsanwalt den Holzschutzmittelskandal verfolgte und heute Wirtschaftsrecht an der Fachhochschule Frankfurt/Main lehrt, findet dagegen: „Die Verfassungsbeschwerde ist längst überfällig.“ Sie richte sich gegen einen Missstand, an den man sich zwar gewöhnt habe, der aber abgeschafft werden müsse. Die Verfassungsbeschwerde sei ein Änlass, über die Folgen des Autoverkehrs nachzudenken. Schmidt selbst hat seine Argumentation mit dem 680 Seiten starken Buch „Eingebaute Vorfahrt“ untermauert. Es kostet 30 Euro und ist im Buchhandel erhältlich. GERNOT KNÖDLER