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Archiv-Artikel

Die SPD ist schuld

Wie Kanzlerin Merkel auf einer Unternehmertagung der Unionsfraktion die Kritik der Wirtschaft abprallen lässt

BERLIN taz ■ Nein, zufrieden ist Werner Conrad mit der Politik der Bundesregierung nicht. Den Unternehmer, der den gleichnamigen Elektronikversand in der vierten Generation führt, befriedigt keiner der vielen Vorschläge zur Reform der Erbschaftsteuer. „Warum machen Sie es nicht wie Österreich und schaffen die Steuer einfach ab?“, will er von der Bundeskanzlerin wissen – und: „Was würden Sie tun, wenn die Koalition nicht so groß wäre, wie sie ist?“

Es ist Montagmorgen im Berliner Paul-Löbe-Haus, dem Sitzungsgebäude des Deutschen Bundestags, in dem sonst nur parlamentarische Untersuchungsausschüsse für große Auftritte sorgen. Heute ist es die Bundeskanzlerin, die hier gegrillt wird, doch die Ankläger sind keine Abgeordneten, sondern rund tausend mittelständische Unternehmer, fast ausschließlich Männer, die auf Einladung der Unionsfraktion nach Berlin gekommen sind.

Die Wirtschaft ist enttäuscht von einer CDU-geführten Regierung, von der sie sich bisweilen schlechter verstanden fühlt als vormals vom rot-grünen Kanzler Gerhard Schröder. Die Erbschaftsteuer ist das wichtigste Thema, aber es geht auch um zu hohe Lohnnebenkosten, um ungleiche Mehrwertsteuersätze, um geschäftsschädigende Sanktionen gegen den Iran. Fraktionschef Volker Kauder kennt diese Klagen aus seinem schwäbischen Wahlkreis Tuttlingen. Das Treffen heute soll den Unternehmern wenigstens den Eindruck geben, dass die CDU ihre Vorhaltungen ernst nimmt.

Da ist es ein Glück, dass sich Angela Merkel auf ihren Koalitionspartner herausreden kann und auf das Bundesverfassungsgericht. „Es ist nicht alles zu unserer freien Verfügung“, sagt sie zur Erbschaftsteuer. „Wir sind an ein Verfassungsgerichtsurteil gebunden, das sich nicht mehr aus der Welt schaffen lässt.“ Und: „Ich will gar nicht davon träumen, wie wir dastehen könnten, wenn wir nicht so ’nen großen Koalitionspartner hätten, sondern einen kleinen.“

Aber was würde die Kanzlerin denn anders machen, wenn sie auf die SPD keine Rücksicht nehmen müsste? Das ist es, was der Unternehmer Conrad wissen will, und die Antwort fällt für ihn ernüchternd aus: Eigentlich nichts, und schuld wären auch dann noch die Sozialdemokraten – gemeinsam mit der Linkspartei. „Wenn wir die Erbschaftsteuer abschaffen“, droht Merkel, „dann könnte es sein, dass Sie am Ende die Regierung haben, die Sie absolut nicht wollen.“

RALPH BOLLMANN