: Menschen ohne Mülleimer
Zwischen Marktplatz und Rathaus gibt es derzeit nicht einen öffentlichen Abfallkorb. Immerhin kostet so ein Stadtmöbel pro Stück auch 450 Euro. Allerdings sind nicht nur Touristen genervt
taz ■ Besucher, die nach Bremen kommen, haben alle Hände voll zu tun: Rathaus, Roland, Stadtmusikanten – und zwischendurch Nase putzen, weil hier ein ganz frischer Wind weht. Dann noch schnell einen Coffee to go – und schon drängt ein gewichtiges Problem: Wohin mit Pappbecher und Rotzfahne? Im Herzen Bremens, im Dreieck zwischen Stadtbibliothek, Handelskammer und Stadtmusikanten, haben die Müllbehälter-Verantwortlichen keinen einzigen Abfallkübel mehr aufgestellt. Die unter den Arkaden sind seit längerem verhüllt, die sechseckigen Behälter in der Mitte des Marktplatzes sind abmontiert worden.
„Ich fühle mich dazu genötigt“, sagt ein 34-jähriger Studierter aus Berlin (dort gibt es natürlich Mülleimer allerorten), bevor er seine Brötchentüte diskret den Marktplatz touchieren lässt. So wirkt der Besucher dem Müllstau in seinen Taschen mit mehr oder weniger schlechtem Gewissen entgegen. Kein Einzelfall, viele Bremenbesucher erzählen die gleiche Story. Meist jedoch verkneifen sie sich den Umweltfrevel und kehren mit ausgebeulten Hosentaschen in die Heimat zurück.
Für die zuständige Firma Entsorgung Nord GmbH (ENO) ist die Eimer-Problematik nicht neu: „Ich habe den Mangel an Müllbehältern schon oft moniert“, verkündet Sprecher Thomas Leschke. Er glaubt, die silbernen Tonnen würden nicht vermehrt, da die Damen und Herren vom Senat Angst um das schöne Stadtbild hätten. Dabei ist seine Entsorgungsfirma für die Aufstellung mitverantwortlich: Der Auftrag kommt vom Senat für Bau und Umwelt. Bis zum Jahr 2020 ist die ENO vom Senat per Vertrag beauftragt sich um den Stadtmüll zu kümmern – egal ob in den dafür vorgesehenen Behältern oder daneben.
Der Müll daneben wird vom Müllsammler eigenhändig in große blaue Säcke gesteckt. Im Zwei-Schicht-System streifen die Jungs des Reinigungs-und Entsorgungsservice Nord GmbH (RNO), einer Tochterfirma von der ENO, durchs Stadtgebiet. Cityservice heißt das und macht die behälterfreien Zonen blitzeblank. „Ein oder zwei Behälter mehr würden hier nicht schaden“, sagt auch der Cityservice-Mann. Und warum stellt man die nicht einfach auf? „Ich schätze mal wegen der Optik“, antwortet er mit dem Müllgreifer in der Hand.
Das muss nicht stimmen. In Bremen gibt es gar nicht so wenig öffentliche Müllbehälter: immerhin sind 1489 im Stadtgebiet montiert – nur eben am Markt nicht. Allein in der Sögestraße sind es kürzlich erst 14 Stück geworden, sagt Insa Nanninga vom Bau-und Umweltamt.
Die runden, silbernen Tonnen, die pro Stück sagenhafte 450 Euro kosten, stehen allerdings nur um Karstadt herum dicht an dicht. Dabei gibt es in den Kaufhaus-Eingängen auch schon welche.
Kein Wunder, dass die sechs Müllbehälter am Wurststand Stockhinger jeden Abend voll sind. „Die haben wir aus eigener Tasche bezahlt“, sagt die Bratwurstverkäuferin. Natürlich sind die ansässigen Imbisse und Kioske nach dem Straßenreinigungsvertrag dazu verpflichtet ihren Kunden die Müllentsorgung zu ermöglichen, doch durch seinen ungünstigen Standort im mülleimerfreienGebiet muss Stockhinger einen großen Teil des Abfalls vom Markt- und Rathausplatz wegschaffen.
Doch ruhig Blut – die Hoffnung stirbt zuletzt: Frau Nanninga verspricht, dass auch der Markplatz demnächst seine Tonnen kriegt. Wegen der Umbaumaßnahmen habe man sich Zeit gelassen und auch gleich noch den Weihnachtsmarkt abgewartet. Jetzt aber habe sich der Bausenat mit der ENO geeinigt. Acht neue Müllbehälter auf dem historischen Marktplatz und umzu soll es „demnächst“ geben.
Die Böttcherstraße ist da klüger: Um die denkmalgeschütze Gasse nicht zu verschandeln, haben sie sich ihre handgemachten Abfallkörbe dort selbst gekauft. Übrigens zahlen die Böttchenstraßenhändler auch die Entleerung – alles freiwillig.
Vielleicht sollte man auch froh über den Behälter„mangel“ sein, denn – wie der erfahrene Müllsammler von der RNO berichtet – liegt da, wo mehr Abfallbehälter sind, auch mehr Abfall daneben.
Laura Ewert