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Archiv-Artikel

Kein Anschluss mehr in Washington

Parallel zur Nahost-Friedensmission von Regierungschef Gül lässt die Türkei US-Militärinspektoren einreisen. Auf eine Stationierung von US-Bodentruppen will sich Ankara jedoch nicht einlassen. US-Regierung über Hinhaltetaktik verärgert

aus Istanbul JÜRGEN GOTTSCHLICH

Es ist kein Zufall, sondern beschreibt exakt das Dilemma der türkischen Regierung. Einen Tag, nachdem Premier Abdullah Gül eine Friedensmission durch vier arabische Staaten und den Iran beendete, begannen gestern US-Spezialisten mit der Inspektion türkischer Häfen und Flughäfen. Auf massiven US-Druck gab Gül am vergangenen Freitag seine Zustimmung zur Einreise der US-Militärspezialisten.

Dabei hatte Gül am Sonntag noch mit dem iranischen Präsidenten Chatami feierlich gelobt, alles zu tun, um einen Krieg noch zu vermeiden. Während Gül in Teheran die Spitze der dortigen Exekutive traf, saß der türkische Außenhandelsminister Kursat Tüzmen im Empfangszimmer von Saddam Hussein, um einen Brief Güls zu überreichen, in dem Saddam aufgefordert wird, so rückhaltlos mit den UN-Inspektoren zusammenzuarbeiten, dass „kein Raum für Missinterpretationen“ bleibt.

Die Fahrt nach Teheran war für Gül die letzte Station auf einer Reise durch den Nahen Osten. Nach Syrien, Jordanien und Ägypten war Gül am Samstag vom kranken saudischen König Fahd empfangen worden – ein Privileg, das nur wenigen auswärtigen Besuchern zuteil wird. Offiziell wurde jedoch in Saudi-Arabien wie nach allen anderen Treffen lediglich bekannt, dass beide Seiten die Gefahren eines Krieges für die Region beschwören, die für die Nachbarn des Irak besonders groß seien.

Vor allem in Jordanien traf Gül mit König Abdullah auf einen Mann, der sich ungefähr in derselben Zwangslage befindet, wie er auch. Beide Länder sind enge Verbündete der USA und schon aus wirtschaftlichen Gründen stark von den USA anhängig. In beiden Ländern ist die Bevölkerung gegen einen Angriff auf den Irak. Dazu kommt, dass beide Länder neben Kuwait als Stützpunkte für US-Bodentruppen im Gespräch sind, damit ein Einmarsch nicht nur von Süden, sondern gleichzeitig aus Westen und Norden erfolgen kann.

Zumindestens die türkische Regierung scheint derzeit überzeugt, sich eine Stationierung amerikanischer Bodentruppen innenpolitisch nicht leisten zu können. Ein überwältigender Teil der Bevölkerung lehnt Umfragen zufolge US-Kampftruppen im Land ab. Selbst wenn Umfragen nicht sehr zuverlässig sind, weiß die Regierung, dass ihre Wähler, ihre Parteibasis und ihre Abgeordneten nicht mitmachen würden. Das Parlament müsste einer US-Truppenstationierung aber zustimmen und Gül wie Parteichef Tayyip Erdogan sind sich nicht sicher, ob ein solcher Beschluss im Parlament überhaupt durchgehen würde.

Angesichts des lauter werdenden Widerstandes in der Türkei, berichteten New York Times und Washington Post letzte Woche über den Ärger über Ankaras Hinhaltetaktik im Kabinett Bush. Ende letzter Woche ließ Washingtons früherer Botschafter Marc Parris nach einem als privat deklarierten Besuch bei Tayyip Erdogan unmissverständlich durchblicken, dass die Zeit für eine Entscheidung gekommen sei. „Wenn Ankara nicht bald klar seine Bereitschaft erklärt, die USA zu unterstützen, werden die Telefone im Weißen Haus später immer besetzt sein.“ Die Zustimmung zur Inspektion von Häfen und Flugplätzen deutet daher an, dass eine Entscheidung gefallen ist: Luftwaffe und Nachschub ja, Bodentruppen nein.