CO2 als praktischer Klimafreund

Und es geht doch: Das Umweltbundesamt stellt auf der IAA erstes Fahrzeug mit umweltfreundlicher CO2-Klimaanlage vor. Forderung nach finanziellen Anreizen

BERLIN taz ■ Beim Umweltbundesamt (UBA) wollte man nicht mehr warten und hat die Tests selbst in die Hand genommen – mit Erfolg: Auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) Nutzfahrzeuge, die derzeit in Hannover stattfindet, präsentieren die Experten einen Volkswagen Touran mit der neuen CO2-basierten Klimatechnik (taz vom 17. 9. 08). Und nicht nur das: Sie bringen Testergebnisse mit, nach denen das natürliche Kältemittel CO2 energieeffizienter ist als das derzeit verwandte chemische Kältemittel R134a. Der Wagen ist ein Dienstfahrzeug der Behörde. „Wir sind der Frage nachgegangen, was die neue Klimatechnik leisten kann“, erklärt UBA-Expertin Gabriele Hoffmann. „Die Ergebnisse sind sehr positiv.“

Ab 2011 dürfen neu zugelassene Pkw-Typen in der EU nur noch mit Kältemitteln klimatisiert werden, die höchstens 150-mal so schädlich für das Klima sind wie CO2. Die derzeitige Standardchemikalie R134a fällt mit einem Faktor von 1.430 aus. Als Nachfolger sind derzeit zwei Verbindungen in der Diskussion: CO2 selbst, das in Verbrennungsprozessen der Industrie oder direkt aus der Luft gewonnen werden kann. Und das chemische Mittel 1234yf, das die Konzerne Honeywell und DuPont gemeinsam entwickelt haben.

Während CO2 weltweit verfügbar, billig, ungiftig und nicht brennbar ist, gibt es bei 1234yf noch viele offene Fragen. Die Verbindung ist zu neu, als dass es Langzeitstudien geben könnte. Toxische Tests hatten widersprüchliche Ergebnisse. Der Verdacht auf ein DNA-schädigendes Potenzial ist nicht ausgeräumt. Zudem ist 1234yf relativ instabil, zu den Zerfallsprodukten gehört auch die extrem aggressive Flusssäure. „Vor allem aber ist die Verbindung brennbar“, sagt Hoffmann. Probleme könnten nicht nur bei Unfällen auftreten, sondern auch beim Umgang mit dem Stoff. Auch bei der Produktion ist 1234yf gegenüber CO2 im Nachteil. „Man braucht eine komplett neue Produktionsanlage“, sagt Greenpeace-Klimaexperte Wolfgang Lohbeck.

Der einzige echte Vorteil von 1234yf ist, dass es relativ einfach in die vorhandenen Klimaanlagen eingefüllt werden kann, während CO2 neue Systeme benötigt. Deshalb zögern die Autohersteller, sich auf die CO2-basierte Technologie festzulegen: die US-Amerikaner und Japaner, weil sie die Entwicklung verpasst und zuletzt noch viel Geld in die Verbesserung der alten Anlagen investiert haben. Sie wären gegenüber den europäischen Unternehmen im Nachteil, die seit gut einem Jahrzehnt an CO2-Anlagen arbeiten – und inzwischen serienreife Ergebnisse vorzeigen können, wie das vom UBA umgerüstete Auto beweist. Die europäischen Autohersteller wollen dagegen nicht die ersten sein, die mit einer neuen Entwicklung vorpreschen.

Offiziell argumentieren sie damit, dass die neuen Anlagen Neuwagen um bis zu 100 Euro verteuern würden. Was sie dabei nicht sagen, ist, dass die Klimasysteme für 1234yf zwar nicht groß umgerüstet werden müssten, dass aber 1234yf ungefähr hundertmal so viel kosten wird wie CO2. „Die Nachfüllungen werden also teuer werden“, sagt Hoffmann. „Der finanzielle Vorteil steht also in Frage.“ Ganz abgesehen davon, dass Honeywell und DuPont ein Monopol hätten und damit über Jahre die Preise diktieren könnten.

„Es gibt keinen Grund, einen so unerforschten Stoff in Verkehr zu bringen, wenn es mit CO2 eine bessere Lösung gibt“, so die UBA-Expertin. Trotzdem glaubt sie, dass die Autohersteller für den Anfang einen Anreiz bräuchten. „Eine Förderung für CO2-Klimaanlagen würde die Einführung der neuen Technik beschleunigen. Eine europäische Lösung, wie etwa eine Gutschrift auf die Abgaswerte, wäre dabei sicher wirksamer als eine nur nationale.“ BEATE WILLMS