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Archiv-Artikel

Ein Glück, dass es den Finnen gibt

Gewoba und Hochschule Bremen rufen einen Alvar-Aalto-Preis für Architektur ins Leben

taz ■ Bremen ist keine Hochburg moderner Architektur. Zum Glück hat Alvar Aalto zwischen 1958 und 1962 das 22-stöckige Hochhaus in der Neuen Vahr gebaut. Das besticht durch seine gewellte Fassade auf dem Grundriss eines spitzen Ovals und galt wegen der Südwestlage seiner Wohnzimmer und Balkons als sehr „feierabendfreundlich“.

Hätte er das nicht getan, müsste man auf das Scharounsche Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven verweisen oder einen Roland-Rainer-Preis ausschreiben, benannt nach dem Architekten der Stadthalle – was auf dem Hintergrund der unmittelbar bevorstehenden substanzzerstörenden Umbaumaßnahmen etwas grotesk wirken würde. Jetzt aber hat Bremen einen Preis, der sich mit dem Namen des avantgardistischen Finnen schmücken kann, verpflichtet dem „Geist des sozial orientierten Wohnungs-, Siedlungs- und Städtebaus“. Aalto ist unter anderem durch sein Studentenwohnheim in Cambridge (Massachusetts) bekannt, in Deutschland auch für die Essener Oper und das Wolfsburger Kulturzentrum. An diesen Arbeiten haben – selten genug erwähnt – in erheblichem Maß seine Frauen Aino Marsio und Elissa Mäkiniemi mitgewirkt. Der Preis ist als Nachwuchspreis für die AbsolventInnen des Architektur-Studiengangs an der Hochschule Bremen gedacht, die allein teilnahmeberechtigt sind. Das Geld (alle zwei Jahre 3.000 Euro) kommt von der Gewoba, der Besitzerin des Aalto-Hochhauses.

Das Objekt des ersten Wettbewerbes: Die „Gartenstadt Süd“ zwischen dem Buntentor und der „Airport-City“. Dort besitzt die Gewoba 1.250 Wohnungen – mit Zuschnitten, die „in zehn oder 15 Jahren vielleicht gar nicht mehr vermietbar sind“, wie Gewoba-Vorstand Klaus Stadler sagt. Die Siedlung aus den 60er Jahren wird sich durch Überalterung verändern, aber auch durch den Bau der Autobahn 281, der wiederum die bisherige Funktion der Neuenlander Straße in Frage stellt. Thema ist also unter anderem die Anbindung des Stadtteils an die Nachbarbezirke.

Mitte September sollen die Preisträger des Ideenwettbewerbs durch eine fünfköpfige Jury mit VertreterInnen der Gewoba, der Hochschule, der Bausenatorin und anderen gekürt werden. Für die Gewoba sind „mitelfristige Umsetzungen“ denkbar. Als Thema des nächsten Wettbewerbs ist die Entwicklung der alten Hafenreviere im Gespräch.

Die jetzt beschlossene Kooperation von Gewoba und dem Fachbereich Architektur der Bremer Hochschule ist Teil von deren Neuorientierung. Statt der früheren Beschränkung auf die Ausbildung von „Werkplanern“ sollen die Studierenden verstärkt lernen, Kontexte in ihre Arbeit einzubeziehen – also etwa in Kategorien von Stadtplanung zu denken.

Dazu passt, dass auch in der Professorenschaft ein Generationswechsel begonnen hat. Allerdings ist von den elf Lehrstühlen keiner mit einer Frau besetzt – was angesichts einer schon länger ausgeglichenen Geschlechterverteilung unter den 800 Studentinnen und Studenten in den Architekturstudiengängen doch verwundert.

Henning Bleyl