Fünf vor Zwölf im Heimathafen

Morgen endet die Angebotsfrist für den Kauf von Hapag-Lloyd. Auf der Betriebsversammlung jubeln die Mitarbeiter Hamburgs CDU-Finanzsenator Michael Freytag zu, der zeigt sich kämpferisch

Hapag-Lloyd ist eine hundertprozentige Tochter des Hannoveraner Mischkonzerns TUI. Die fünftgrößte Containerreederei der Welt machte mit 143 Schiffen und mehr als 8.000 Beschäftigten weltweit im vorigen Jahr einen Umsatz von fast sechs Milliarden Euro. Die neuesten Zahlen aus dem 2. Quartal 2008 weisen einen Zuwachs um 2,6 Prozent auf rund 1,5 Milliarden Euro aus, der Gewinn stieg von 13 auf 89 Millionen Euro. Der Verkaufswert des Unternehmens wird auf etwa fünf Milliarden Euro geschätzt.  SMV

VON SVEN-MICHAEL VEIT

So häufig passiert es ja nicht, dass ein christdemokratischer Landesvorsitzender und Finanzsenator auf einer Kundgebung von Gewerkschaften und Betriebsräten umjubelt wird. Dem Hamburger Michael Freytag widerfuhr dies seltene Glück am Mittwoch auf einer Betriebsversammlung der Reederei Hapag-Lloyd. „Der Senat kämpft dafür, dass Hamburg ihr Heimathafen bleibt“, versicherte Freytag unter Jubel und Beifallsstürmen den etwa 800 Versammelten im Kreuzfahrtterminal in der Hafencity.

Und davon offensichtlich beflügelt, ließ sich der gelernte Bankkaufmann zu ungewohnt klassenkämpferischen Tönen hinreißen. Er habe „die Nase voll von Finanzjongleuren“, versicherte Freytag mit Blick auf die aktuelle Bankenkrise in den USA, „die gesunde Unternehmen kaputt machen. Das wollen wir in Hamburg nicht“.

Anlass der Protestaktionen ist der drohende Verkauf der 161 Jahre alten Reederei an das Konkurrenzunternehmen Neptune Orient Lines (NOL) in Singapur. Unter dem Motto „Fünf vor Zwölf“ wollten die Beschäftigten von Hapag-Lloyd an allen Firmenstandorten in Europa, Amerika und Asien am gestrigen Mittag jeweils zur Ortszeit „Flagge zeigen“ und gegen die drohende Übernahme protestieren.

Den Anfang machte die Unternehmenszentrale in Hamburg, wo fast 2.000 der gut 8.000 weltweit Beschäftigten arbeiten: Um 11.55 Uhr dröhnten die Sirenen sämtlicher Schlepper, Fähren, Barkassen und sonstiger Schiffe durch den Hafen.

Konkret befürchtet wird eine Zerschlagung von Hapag-Lloyd und der massive Abbau von Arbeitsplätzen durch NOL. Bis zum morgigen Freitag müssen konkrete Angebote für den Kauf der weltweit fünftgrößten Containerreederei beim Mutterkonzern TUI in Hannover vorliegen. Der will sich künftig auf das Tourismusgeschäft konzentrieren und zuvor gutes Geld aus dem Abstoßen der Schifffahrtssparte kassieren. Bis zu fünf Milliarden Euro erhoffte sich TUI und vor allem deren norwegischer Großaktionär John Frederiksen – ob dieser Erlös aber tatsächlich erzielt werden kann, gilt mittlerweile als zweifelhaft.

Außer NOL, hinter der Singapurs Staatsholding Temasek steht, bietet nur noch ein Hamburger Konsortium um Hapag-Lloyd mit. Es besteht aus dem größten deutschen Logistikkonzern Kühne & Nagel, der Hamburger Privatbank M. M. Warburg sowie aus mehreren Banken und Versicherungsgesellschaften, die nicht genannt werden möchten.

Es sei „ein relativ kleiner, aber potenter Kreis“, sagte Konzernchef Klaus-Michael Kühne, der gestern Mittag ebenfalls der Versammlung der Hapag-Lloyd-Beschäftigten beiwohnte.

Über die Höhe der Offerten schweigen sich alle Beteiligten aus, Branchenkenner gehen von weniger als 4,5 Milliarden Euro aus. Im Verlauf des nächsten Monats wird eine Entscheidung von TUI erwartet. Es wäre „im Sinne der Mitarbeiter und Kunden, wenn es schnell gehe“, so Kühne.

Während der schwarz-grüne Hamburger Senat bereits im Juli bekannt gab, sich mit einem „dreistelligen Millionenbetrag“ an dem Konsortium zu beteiligen, verweigert die schwarz-rote Bundesregierung weiterhin jegliche Unterstützung für die so genannte „Hamburger Lösung“.

Zwar würde ein Zuschlag für das Kühne-Konsortium „begrüßt“, hatte die Maritime Koordinatorin der Bundesregierung, Dagmar Wöhrl (CSU), am Montag zur Eröffnung der Schiffbaumesse in der Hansestadt erklärt. Allerdings sei der Verkauf „die Entscheidung von TUI“, auch seien „ausländische Investoren in Deutschland selbstverständlich willkommen“.

Kühne hingegen hat die Hoffnung auf Unterstützung vom Bund noch nicht aufgegeben. Es könne ja auch „ein indirektes Engagement sein, etwa durch Finanzierungshilfen“, sagte er in einem Interview.

Dafür darf sich die Belegschaft der Reederei über die Hilfe von höherer Stelle freuen. Die nordelbische Bischöfin Maria Jepsen verglich auf der gestrigen Versammlung den Verkauf von Hapag-Lloyd mit einem Verkauf des Hamburger Michel. „Lassen Sie sich nicht unterkriegen“, ermunterte Jepsen die Protestierenden, „Hamburg steht hinter Ihnen“.