„Natürlich wird man vereinnahmt“

Der deutsche Liedermacher Konstantin Wecker ist seit einer Woche in Bagdad, um sich persönlich ein Bild von der Lage zu machen. Er gibt vor begeisterten Zuhörern ein Konzert und versteht seine Reise als Engagement gegen einen Krieg

Interview KARIM EL-GAWHARY

taz: Herr Wecker, Sie haben gerade Ihr erstes Konzert in Bagdad hinter sich. Wie ist das, wenn man für Leute spielt, die kein einziges Wort Ihrer Texte verstehen?

Konstantin Wecker: Natürlich sind meine Lieder und Texte den Leuten fremd. Ich dachte, am Ende gibt es einen Höflichkeitsapplaus. Aber die Leute haben mich mit ihrer Begeisterung total überrascht. Einige haben sogar versucht mitzusingen. Ich glaube, die Emotionen der Musik sind rübergekommen. Ich habe gemerkt, wie kulturell isoliert diese Leute leben und wie hungrig sie nach fremder Kultur sind.

Was wollen Sie in Bagdad konkret erreichen?

Die Mission der Reise war nicht das Konzert. Ich möchte diesen Krieg verhindern, der eine unendliche Katastrophe darstellen würde. Damit wird das Recht des Stärkeren installiert, gegen das Völkerrecht. Und ich bin fest davon überzeugt, dass das nur der Anfang wäre.

Sehen Sie eine Alternative zum Krieg?

Das Embargo muss unbedingt gelockert werden. Ich habe kein Problem mit dem Waffenembargo. Aber das Embargo von Medikamenten und technischen Anlagen ist falsch. Es ist das härteste Embargo, das jemals gegen ein Volk verhängt wurde. In Deutschland wird kaum jemand wissen, dass die Hälfte der irakischen Bevölkerung dadurch keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser hat. Der Grundgedanke des Embargos ist wohl, die Bevölkerung so zu verelenden, dass sie sich gegen das Regime erhebt. Die Rechnung ist nicht nur unmenschlich, sie ist offensichtlich auch nicht aufgegangen.

Wie soll eine Demokratie in der Region von Menschen geschaffen werden, die von jeglicher intellektuellen Auseinandersetzung abgeschnitten sind? Eine Demokratisierung kann nur erfolgen, wenn sich ein Volk emanzipiert, und das kann nur über Kultur und Informationen geschehen. Das Embargo hat eine komplette intellektuelle Isolierung bewirkt und das ist besonders traurig in einem Land, in dem viele der älteren Menschen hoch gebildet sind.

Wie sollte sich die Bundesregierung Ihrer Meinung nach verhalten?

Das Nein von Herrn Schröder gegen den Krieg finde ich gut. Man muss noch konsequenter werden und sollte sich beispielsweise über Überflugsrechte Gedanken machen. Das wird ein Angriffskrieg und wir sind nicht verpflichtet, an einem solchen teilzunehmen.

Ihnen wird bei dieser Reise immer wieder vorgeworfen, sich vor den propagandistischen Karren Saddam Husseins spannen zu lassen.

Es ist keine Frage, dass man natürlich vereinnahmt wird. Ich weiß nicht, was die irakische Presse über mich schreibt. Ich habe keine Kontrolle darüber. Man muss dennoch versuchen, sich eine gewisse Unabhängigkeit zu bewahren. Ich bin beispielsweise nicht auf den offiziellen Empfang gegangen, den Vizepremier Tarik Asis für mich geben wollte. Wir haben von Anfang an klar gemacht, dass wir an offiziellen Kontakten nicht interessiert sind. Aber die Vereinnahmung passiert trotzdem. Ich glaube aber, dass es wert ist, diesen Preis zu zahlen. Nur so kann man etwas bewirken. Auch die internationalen Hilfsorganisationen machen im Irak diesen Eiertanz mit, um am Ende den Ärmsten der Armen zu helfen.

Ich kann mich gut daran erinnern, als ich das erste Mal in der DDR aufgetreten bin. Damals kamen ähnliche Vorwürfe, dass ich damit Honecker unterstütze. Ich habe damals gesagt, das sei mir egal, ich möchte für die Menschen singen. Ich treffe heute noch Leute aus der damaligen DDR, die sagen, dass sie mir für meinen Auftritt dankbar sind. Diese Art von kultureller Öffnung war am Ende vielleicht sogar mit ein Grund, dass der Aufstand gegen das Regime unblutig vonstatten ging.

Wie sieht Ihr weiteres Irakengagement aus?

Ich möchte das Germanistische Institut und eine Musikschule, die ich besucht habe, unterstützen. Ich will beispielsweise in Bibliotheken nachfragen, ob sie alte Noten haben, die wir hierher schicken können. Ich habe auch die Patenschaft für ein Kind übernommen, das acht Stunden lang Eisenstücke zusammengesteckt hat, um seine Familie zu ernähren. Wir sind zu der Familie des Kindes gefahren und haben die Bürgschaft für einen Schulbesuch übernommen und sind dann zu seiner Arbeitsstelle gefahren, um zu kündigen. Das war ein gutes Gefühl, wenngleich es nur einen Tropfen auf den heißen Stein darstellt. Diese Reise war sicher ein Einschnitt, der mein Leben verändert hat. Ich habe gemerkt, wie man verblödet, wenn man sich nur in seiner eigenen Kultur bewegt.