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Archiv-Artikel

Firmen gegen Mindeststeuer

Anhörung im Bundestag dokumentiert Änderungswünsche zum rot-grünen Steuerpaket 2003. Die gibt es auch in den eigenen Reihen. Kompromisse in Sicht

BERLIN taz ■ Eine Anhörung im Bundestag, so könnte man meinen, dient dazu, dass Abgeordnete etwas lernen. Weit gefehlt. Aus der Runde der über 100 Spezialisten für Steuerpolitik suchten sich die Parlamentarier gestern gezielt diejenigen heraus, deren Position ihnen am genehmsten war. Der Finanzausschuss hatte die Versammlung aus Professoren und Lobbyisten einberufen, um von Rot-Grün geplante Steuer-Mehreinnahmen von 3,6 Milliarden Euro in 2003 und ihre Wirkungen auf die Wirtschaft zu erörtern.

Die Maßnahmen reichen von einer neuen Pauschalsteuer auf Aktiengewinne bis zu Kürzungen bei der Eigenheimzulage und einer Mindestbesteuerung für Kapitalgesellschaften.

Für die SPD lag es nahe, Kronzeugen wie den Wiesbadener Ökonomie-Professor Lorenz Jarass zu befragen. Gewünscht und erwartungsgemäß erklärte dieser den Regierungsentwurf für „ordnungspolitisch korrekt“. Es sei richtig, Konzerne und Siemens wieder dazu heranzuziehen, sich „an der Finanzierung des Gemeinwesens zu beteiligen“. Rot-Grün hatte während der Koalitionsverhandlungen festgelegt, dass Unternehmen nur noch die Hälfte ihres jährlichen Gewinns durch die Gegenrechnung von alten Verlusten neutralisieren können. In den vergangenen Jahren war es in Mode gekommen, dass Konzerne im Prinzip keine Körperschaftssteuer mehr entrichten. Jarass schätzt die Verluste 2001 und 2002 auf mindestens 40 Milliarden Euro.

Im Auftrag von FDP und Union nahm Harald Treptow vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) die gegenteilige Position ein. Er bezeichnete die rot-grüne Mindeststeuer für Unternehmen als „extrem investitionshemmend“. Treptow argumentierte, die Wirtschaft sei darauf angewiesen, Verluste aus den Vorjahren mit aktuellen Gewinnen voll zu verrechnen. Ansonsten würde sich manche Investition nicht mehr rentieren. Die ersten Gewinne aus einer Investition müssten in der Regel zur Tilgung an die Banken überwiesen werden und dürften deshalb nicht ans Finanzamt gehen.

Nach der gestrigen Anhörung folgen nun die Lesungen im Bundestag, die weitgehende Ablehnung im Bundesrat und das Vermittlungsverfahren. Doch nicht nur die Opposition wünscht Änderungen, auch die Regierungsfraktionen melden mehrere Punkte zur Revision an. Die grüne Vorsitzende des Finanzausschusses, Christine Scheel, will etwa die Doppelbelastung von Investmentfonds im Zuge der Aktienbesteuerung verhindern.

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) stellte währenddessen Kompromissbereitschaft in Aussicht. „Konstruktiven Änderungswünschen“ der Opposition werde er sich nicht verschließen. Die Union freilich hat bisher nur an einem Punkt Verhandlungsbereitschaft signalisiert: Dass es mit der Steuerfreiheit für profitable Großunternehmen so nicht weitergehen kann, wird auch bei den Christdemokraten gesehen. Ansonsten trug die Anhörung nicht dazu bei, die Positionen der Politiker zu verschieben. HANNES KOCH

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