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Archiv-Artikel

berliner szenen Susan Sonntagskind

Feiern in der Fremde

Wer ist Susan, das Geburtstagskind? Ein kollektives Schulterzucken und der Rückzug an die Bierflasche. Nie gesehen, geschweige denn gelesen, aber den Namen, ja doch, den kennt man. Halbwissen macht glücklich. Gratis-Prosecco auch. Willkommen in der wundersamen Welt der Galerie „Kunstwerke“, wo Susan Sontag ihren Geburtstag feiert, aber keiner ihrer Gäste weiß, wie sie aussieht.

„Ein bisschen wie ein Waldmensch“, glaubt jemand. Also so eine Art Komparse für „Herr der Ringe“. Wie alt wird sie? Die Schätzungen reichen von 46 bis 53. Eine schöne Blondine im roten Top weiß es: Schlag Mitternacht feiert die Susan ihren Siebzigsten! Hm, ist die Haarfarbe dann noch echt?

Echt graues Haupthaar trägt Adrienne Goehler. Ihr unnachahmlicher Wischmopp stolziert mit einem Sekt durch die Mexiko-Ausstellung, die nebenbei läuft. Am Ohr hängen ihr lauter kleine Herzchen in Zapfenformation. Junge Kreative mit gedämpften Hoffnungen auf Ruhm und Geld treten neben ihr auf Maiskolben, die eigentlich Kunst sind. Chefkurator Klaus Biesenbach lässt sie einsammeln. Er hat seine Augen überall, ist die wuselnde Spaßmaschine. Wer ist gerade gekommen und wieso spielen wir nicht noch mal „Kaltes klares Wasser“? Ach ja, Susan ist inzwischen eingetroffen. Sie lächelt charmant in die fremden Gesichter. Heute Nachmittag sei sie in einem Buchladen erkannt und flugs gefragt worden, wie sie Postmodernismus definiere, heißt es. Zehn vor zwölf läuft Antje Vollmer ein. Biesenbach startet aufgeregt den Countdown. Um zwölf geht die Musik aus. Jetzt ist es so weit. Aber außer ein paar echten Freunden traut sich keiner, Susan zu gratulieren. Dann läuft noch siebenmal „Kaltes klares Wasser“. ULF LIPPITZ