Aus Versehen Denkmal abgerissen
Olympia und Finanzwesen: In London nimmt die Gier nach Land und Geld bizarre Züge an. Eine Kunstaktion wehrt sich
Ein wirklicher dummer Zufall: Nachdem er für 400.000 Pfund die Angel Cottage in Windmill Lane, im Osten Londons, ersteigert hatte, fuhr der neue Besitzer Mubarak Patel für einige Zeit ins Ausland. Während seiner Abwesenheit rissen Bauarbeiter, die er eigentlich für ein anderes Gebäude bestellt haben wollte, das 1826 erbaute Anwesen ein – das einzige gregorianische Haus in dieser Gegend. Ein Versehen, so hieß es zunächst. Später wollte Patel sich zu dem Vorfall nicht mehr äußern.
Doch wütende Anwohner wollten nicht an die Verwechslung des denkmalgeschützten Hauses glauben. Zu begehrt ist das Grundstück gerade: Angel Cottage grenzt an das riesige Gebiet, das 2020 als Wirtschaftszentrum Stratford City den Finanzstandort London verstärken soll, und es liegt in verdächtiger Nähe zu dem Schauplatz der Olympischen Spiele 2012.
Die Ruine von Angel Cottage soll heute Abend eine Trauerfeier bekommen: 20 internationale Künstlerinnen werden im Pub gegenüber dem Grundstück mit Performances und Vorträgen auf den Wandel in Ostlondon aufmerksam machen.
„Das Haus ist ein Symbol dafür, was hier gerade passiert“, sagt die Kuratorin Julika Gittner, eine Köln-Londoner Künstlerin. „In Stratford ist Goldgräberstimmung, die kleinen Leute werden vertrieben. Die Gemeinschaft bleibt auf der Strecke.“
„From the Picturesque to the Demolished“ heißt das Kunstevent bei dem auch Politiker und Denkmalpfleger sprechen werden. Der Schöpfer von Gamesmonitor, einer Website, die Verschwörungstheorien rund um Olympia sammelt, kommt auch. Die Startforder und ihre Unterstützer wollen die Zerstörung von Angel Cottage nicht einfach auf sich beruhen lassen. Das Haus hat jetzt auch einen Eintrag bei der Internet-Kontaktbörse Facebook, regionale Blogger und Websiten listen eifrig den Protest der Bürger. Am nächsten Freitag wird der Fall vor dem Crown Court verhandelt. Die öffentliche Aufmerksamkeit hat dafür gesorgt, dass Patel wohl nicht mit sonst üblichen Strafe von 5.000 bis 10.000 Pfund davonkommen wird. „Das Gebäude soll wieder aufgebaut werden“, sagt Julika Gittner. Natürlich wäre es dann auch nur noch eine künstliche Repräsentation des eigentlichen Hauses. „Aber als symbolische Strafe macht das immer noch Sinn.“ JUDITH LUIG