US-Wahl: die Krise McCains : KOMMENTAR VON BERND PICKERT
Das hat John McCain schön versiebt. Gut sechs Wochen vor der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl verkündet der republikanische Kandidat plötzlich ein „Time-out“ – der Wahlkampf könne erst weitergehen, wenn das Finanzsystem gerettet sei. McCain, der Retter in letzter Sekunde, die finanzpolitische Kavallerie quasi. Super!
Nur: Tatsächlich hat der Senator weder irgendeine Expertise in Fragen des Finanzsystems, noch sind Präsidentschaftskandidaten bei schwierigen Verhandlungen per se nützlich. Kein Wunder also, dass in Washington Abgeordnete beider Seiten die Augen rollten und das Treffen im Weißen Haus gleich als vertane Zeit ansahen. Dennoch reisten McCain – und auf Einladung George W. Bushs dann auch Barack Obama – nach Washington, schauten präsidentiell in die Kameras und erreichten … nichts. Im Gegenteil: Hieß es noch Stunden zuvor, Republikaner und Demokraten hätten sich auf die Grundzüge eines Plans geeinigt, waren nach dem Treffen der beiden Präsidentschaftskandidaten im Weißen Haus nur noch Trümmer wegzukehren. So gab McCain ein gutes Beispiel für genau jene Art von Politik, die er selbst und – etwas glaubwürdiger – Barack Obama seit Monaten als verrottetes Politsystem in Washington geißeln.
Tatsächlich hätte John McCain eine Rolle spielen und helfen können. Hätte er die Unterhausrepublikaner, die den Deal am Donnerstag denn doch nicht mittragen wollten, zum Mitmachen überzeugt, wäre er als der Macher gefeiert worden, als der er sich gern darstellt. Nur: Dann hätte er den Plan offensiv verteidigen und damit eine Position einnehmen müssen, die in weiten Teilen der republikanischen Partei und der US-Öffentlichkeit unpopulär ist. Dass McCain das nicht konnte, sondern sich nach all dem Brimborium ernsthaft vor die Mikros stellte und verkündete, er nehme gar keine Position ein, lässt ihn nicht nur alt aussehen, sondern auch hohl. Und es entwirft ein Bild von McCains politischer Selbstein- und -überschätzung, das nicht nur ärgerlich ist, sondern, insbesondere für die von der Finanzkrise Betroffenen, auch ausgesprochen bedenklich.