piwik no script img

Archiv-Artikel

One-woman Ketteln in Walle

Eine einzige Firma in Norddeutschland macht es noch: Teppiche ketteln. Für Händler oder für Privatkunden werden in Bremen-Walle Teppiche zugeschnitten und eingefasst. Dahinter steht eine einzige Frau, die für ihre Kunden auch immer Kaffee parat hat

Mitten in der großen Werkstatt des „Teppichkettlers“ in der Waller Heerstraße steht ein fünf mal sieben Meter großer Tisch, darauf liegt ein schwerer Perserteppich. Ursula Schrade schiebt ihn leicht mit einer Hand in die richtige Position zur Kettelmaschine. Was die kleine Frau so stark macht, sind kleine Löcher in den Tischplatten. Aus ihnen strömt Luft, die den Teppich leicht anheben. Entlang der Wand reihen sich Regale bis unter die Decke, voll mit farbigen Garnrollen: Gelb, blau, rot, braun, 200 unterschiedliche Farbtöne hat Ursula Schrade zur Verfügung. Die Regalbögen biegen sich unter dem Gewicht. Eine Rolle bringt locker ein Kilo auf die Waage.

Ursula Schrade ist Firmeninhaberin und die Frau an der Kettelmaschine. „Für mich ist das ganz neu, über mich zu erzählen“, sagt sie und berichtet lieber vom Ketteln: „Der Rand von einem Teppich ist das I-Tüpfelchen.“ Abketteln, Bandeinfassung, Ledereinfassung, all dies bewahrt das gute Stück vorm Ausfransen. Mit der Kettelmaschine, die aussieht wie eine zu groß geratene Nähmaschine, und mit Polyestergarn fasst sie Stich für Stich den Rand der Auslegeware ein. Das könnte man auch von Hand machen, dauert aber zu lange. Die Maschine läuft so schnell, dass man ihr mit bloßem Auge kaum folgen kann.

Zu Schrades KundInnen gehören Raumausstatter, Großhändler, aber auch Privatleute. Für die kettelt sie Perserteppiche, Treppenläufer oder Stoffe ab. Auf Wunsch schneidet sie vorher auch zu. „Man kann seine Ideen spielen lassen“, sagt sie und berichtet von Teppichen in Schmetterlings- oder Herzform.

Das Kettelhandwerk gehört zu den Aufgaben des Raumausstatters, aber die wenigsten Betriebe ketteln noch selbst, sie überlassen das meist großen Firmen. Bei dem industriellen Ketteln werden aneinandergelegte Garne als fertige Bänder angenäht und nicht jede Garnreihe einzeln gestochen. An zwei Werkstücken zeigt die Kennerin den Unterschied: Die industrielle Version ist offensichtlich viel unregelmäßiger.

Gelernt hat die Fünfzigjährige ihr Handwerk von einem Bekannten, und das so gut, dass sie jetzt alle Arbeit der Firma allein erledigt. „Aber allein bin ich nie gewesen. Ich hab immer jemanden hinter mir gehabt, um um Rat zu fragen.“ Dabei kommt sie eigentlich aus dem Pflegebereich. Mit 40 Jahren hat sie noch mal neu angefangen. Sie meldete das Gewerbe an, das Know-how kam von ihrem Bekannten. Dann konnte sie das Gebäude an der Waller Heerstraße kaufen, wo sich auf über 800 Quadratmetern die Werkstatt, Büro, Lagerfläche und privater Wohnraum verteilen. Hier führt sie mit Leidenschaft Norddeutschlands einzige „Kettelei“. Die meisten ihrer KundInnen warten nur einen Tag auf den Aufribbelschutz an ihrem Lieblingsteppich. Dafür arbeitet Schrade auch mal nachts. Und bei Abholung gibt es einen Kaffee dazu. Laura Ewert