Klar zum Kräftemessen

Der rot-rote Senat und die Gewerkschaften beginnen ihre Verhandlungen um die Bezahlung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Zum Auftakt gibt man sich freundlich, doch hart in der Sache

von RICHARD ROTHER

Nach den verbalen Schlachten der letzten Wochen scheinen die gestrigen Tarifgespräche zwischen Senat und Gewerkschaften in einer erstaunlich konstruktiven Atmosphäre verlaufen zu sein. Der Senat präsentiert ein Angebot. Die Gewerkschaften wollen es prüfen. Man einigt sich sogar: auf den nächsten Termin.

Am 7. Februar soll es offiziell losgehen mit den Tarifverhandlungen für die rund 100.000 Berliner Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Nachdem das Land Berlin und die Hochschulen die öffentlichen Arbeitgeberverbände verlassen haben, muss Berlin nun eigene Tarife aushandeln. Ausgestiegen war das Land, um den bundesweit geltenden Potsdamer Tarifabschluss, der Einkommenserhöhungen von zunächst 2,4 Prozent in diesem Jahr vorsieht, nicht mitmachen zu müssen.

Der Senat legte gestern seine „Eckpunkte für einen Berliner Tarifvertrag“ vor, die sich weitestgehend an den Vorschlägen für den so genannten Solidarpakt orientieren. Der Tarifvertrag soll nach den Vorstellungen des Senats eine Laufzeit von 2003 bis 2006 haben. Bis dahin sollen die Beschäftigten auf Tarifsteigerungen verzichten. Ab 2007 könnte Berlin wieder an der allgemeinen Tarifentwicklung teilnehmen. Der Senat stellt zudem eine spätere Anhebung auf das (westdeutsche)Tarifniveau in Aussicht: „Die für 2003 bis 2006 ausgenommenen Tarifsteigerungen werden zu einem Zeitpunkt nachgeholt, zu dem sich Berlin nicht mehr in einer extremen Haushaltsnotlage befindet“, so Innensenator Ehrhart Körting (SPD).

Die Beschäftigten sollen zudem bis 2005 auf Urlaubsgeld ganz und auf Weihnachtsgeld teilweise verzichten, wobei gering Verdienende davon ausgenommen werden sollen. Die Arbeitszeiten der Beschäftigten im Ostteil der Stadt sollen von jetzt 40 auf das Westniveau von 38,5 Wochenstunden abgesenkt werden. Im Gegenzug verpflichtet sich der Senat, bis 2006 niemandem betriebsbedingt zu kündigen sowie eine noch auszuhandelnde Zahl von Auszubildenden aufzunehmen und nach ihrer Ausbildung mindestens ein Jahr lang zu beschäftigen.

Die vorgeschlagenen Kürzungen seien aufgrund der extremen Haushaltsnotlage des Landes Berlin notwendig, betonte Innensenator Körting. Andernfalls könne Berlin keine Bundeshilfen zur Tilung seiner Schulden in Höhe von über 45 Milliarden Euro erwarten. „Angestrebt wird nicht ein Dauerausstieg aus diesen Tarifverträgen, sondern eine Sonderregelung für das Land Berlin für die Dauer der extremen Haushaltsnotlage“, erklärte Körting.

Der Verhandlungsführer der Gewerkschaften, Roland Tramper, kündigte eine eingehende Bewertung dieses Angebots bis zum 7. Februar an. Es enthalte „viel Peitsche und wenig Zuckerbrot“. Gleichwohl seien die Gewerkschaften verhandlungsbereit. „Wir können aber nicht zulassen, dass das bundesweit gewachsene Tarifsystem atomisiert wird.“ Es sei verfrüht, zum jetzigen Zeitpunkt über mögliche Arbeitskampfmaßnahmen zu spekulieren.