Swingig, krachig, schläfrig

Operetten-Time im Thalia: Gedeons Fassung von „Im weißen Rössl“ trifft ins Herz, manchmal auch daneben

Kein Wolfgangsee, keine Berge, kein blauer Himmel weit und breit. Nur ein Hotelzimmer, modern möbliert, mit frisch bezogenem Doppelbett und Sitzecke. Und einem Klavier. Aber wir sind ja auch Im weißen Rössl, einer Operette. Wie es sich für solch ein heiteres Singspiel gehört, muss ausgiebig und zu Herzen gehend musiziert werden.

In Erik Gedeons Fassung, die jetzt am Thalia Theater Premiere hatte, gelingt das streckenweise wunderbar. Schön und beschwingt klingen die Melodien, die so leicht zum Kitsch verkommen und hier nur mit Klavierbegleitung oder a capella bezaubern. Sie passen zum phantasievoll in Szene gesetzten Bettchen-wechsle-dich-Spiel: Oberkellner Leopold (zum Küssen: Peter Jordan) singt von unerfüllter Liebe und der Qual, seinen Nebenbuhler, den Stammgast Rechtsanwalt Siedler (sangesstark: Norman Hacker), bedienen zu müssen. Seine Angebetene, Hotelbesitzerin Josepha (resolut: Anna Steffens), leidet, weil der Rechtsanwalt statt auf sie ein Auge auf Ottilie (süß: Judith Rosmair), die Tochter des Fabrikanten Giesecke (kernig: Markwart Müller-Elmau), warf. Bei Gedeon fließen Freud und Leid aber nicht nur in den Gesang, die unterdrückte Gefühlswelt verschafft sich auch in Running Gags und Slapsticks freien Lauf. So verdrischt Frau Josepha das Bett immer wieder mit einer Art Teppichklopfer, und Leopold wirft sich in ausweglosen Situationen zu Boden.

Ralph Benatzkys Operette spielt in der „guten alten Zeit“, als Österreich noch einen Kaiser hatte. Kein Wunder, dass die Hotelschmonzette gerade in schlechten Zeiten oft gespielt wird. Gedeons Inszenierung ist aber nicht so naiv, das Ganze als heile Welt zu verkaufen: Dass Im weißen Rössl nichts als eine Traumwelt ist, zeigt schon das gleich bleibende Bühnenbild (Ulrich Frommhold). Alles spielt sich im Hotelzimmer ab: Der Kellner nimmt im Bett liegend die Bestellungen entgegen, des Fabrikanten Bergwanderung endet beim Fußbad an der Sitzecke.

Nach der Pause allerdings kippt das schwebend leichte Gefüge. Aus feiner Ironie und großer Schauspielkunst wird Klaumauk, wenn sich das Personal um einen Professor mit megadicker Brille, dessen mundfaule Tochter und den schönen Sigismund in Krachlederner verstärkt. Mit diesem Auftritt entfernen sich Witz und Elan, verschleppt sich das Tempo bis zum Happy End. Doch ein letztes Liedlein weckt aus der Lethargie. Donnernder Applaus! Karin Liebe

nächste Vorstellungen: 30. und 31. Januar, Thalia Theater, 20 Uhr